18 Uhr. 40° Celsius.

Der Tag beginnt, wie der gestrige geendet hat. Mit Blick auf die Festung. Der Wecker klingelt um 5:45 Uhr, wir wollen den Sonnenaufgang nicht verpassen. Es ist immer noch sehr frisch, sogar das Wasser in unseren Trinkflaschen ist wieder kalt. Nach dem Sonnenaufgangsspektakel legen wir uns nochmal kurz ins Zelt – wir sind eigentlich beide keine Frühaufsteher.

Gegen 9 Uhr frühstücken wir, es gibt Porridge mit Aprikosen und Kaffee aus der Bialetti. Mit jeder Minute wird es wärmer, aber nachdem unser Platz hier oben nicht einsehbar ist, laufe ich ungeniert und gegen alle iranischen Kleidervorschriften für Frauen in meinem Seidentop (Seide kühlt!), kurzer Hose und Flip Flops durch die Wiese.

Wir packen zusammen und fahren runter zum Parkplatz und den Waschanlagen, um unser Geschirr abzuspülen. Der Parkplatz hat sich inzwischen gut mit Autos gefüllt, es ist Freitag, für Iraner aber Sonntag und den einzig freien Tag nutzen sie oft für einen Ausflug mit der Familie. Interessanter als die Festung scheinen allerdings wir zu sein. Sofort hat sich wieder eine Traube Menschen um uns gebildet, es werden die üblichen Fragen gestellt und Selfies gemacht.

Unsere heutige Route führt uns weiter Richtung Süden, über Sanandaj nach Kermanshah durch die Provinz Kurdistan. Die Strecke ist anfangs sehr schön, sie führt durch das Zagros-Gebirge vorbei an türkisblauen Seen und durch goldgelbe Weizenfelder. Heute knacken wir die 6.000 km und ab jetzt bis 10.000 km mache ich die Beweisfotos.

Plötzlich ruft Roland: „Schildi, da ist eine Schildi auf dem Mittelstreifen.“ Ich bremse und komme direkt hinter hier zum Stehen, stelle mein Bike quasi in der Mitte der Fahrbahn ab. Die kleine Schildi krabbelt munter weiter Richtung Gegenverkehr. Ich springe ab, nehme sie hoch und trag sie zwischen den Autos auf die andere Straßenseite. Vorbeifahrende Lkw-Fahrer hupen und grüßen.

100 km vor Kermanshah wird der Himmel immer diesiger, irgendwann sind die Sonne und die umliegenden Berge hinter dickem Smog verschwunden. Immer mehr Lkws sind auf der Straße unterwegs und so kommen wir nur mühsam voran. Ständig müssen wir sie auf kurviger Strecke überholen.

Am späten Nachmittag halten wir an einem kleinen Imbiss an und essen eine Kleinigkeit. Ich bestelle anschließend noch einen Tee und bekomme ihn auf kurdische Art serviert. Ein kleines Glas wird auf einen tiefen Unterteller gestellt und es wird so viel Tee hinein geschüttet, dass er über das Glas in den Teller fließt. Man gießt dann selbst nach und nach den Tee aus dem Glas in den Teller, steckt sich ein Stück Würfelzucker in den Mund und schlürft den Tee. Lecker.

Kurz vor Kermanshah werden wir vom Militär kontrolliert. Nachdem sie unsere Reisepässe kopiert und irgendetwas notiert haben, dürfen wir nach 20 Minuten Warten endlich weiterfahren. Zu allem Überfluss zeigt das Thermometer auch noch 40°C – um 18 Uhr abends. Erschöpft erreichen wir um 20 Uhr unser Hotel. Ich finde gerade noch genug Kraft, unsere Wäsche zu waschen, Roland spannt wie immer die Leine quer durchs Zimmer und wir gehen schlafen.

Romantischer geht’s kaum.

Unser heutiges Ziel ist Takth-e Soleiman, eine Festung knapp 400km entfernt von Tabriz. Kurz nach Tabriz fahren wir an dem Salzsee Urmia vorbei, der seit den 1970ern fast 90% seiner Wasseroberfläche verloren hat. Dort wo früher Wasser war, findet man jetzt dicke Salzschichten. Eine Katastrophe für die Tier- und Pflanzenwelt und natürlich auch den Menschen. Soweit ich erfahren habe, gibt es seit Kurzem Bestrebungen, den Wasserstand des Sees wieder zu erhöhen. Hoffen wir, dass das funktioniert.

Auf der Weiterfahrt Richtung Süden bleiben wir ein paar Mal stehen, um unsere Wasservorräte aufzufüllen. Kaum haben wir angehalten, sind wir umringt von Menschen, die alles Mögliche wissen wollen: Wo wir herkommen, ob uns der Iran gefällt, ganz wichtig auch, wie viele Zylinder unsere Motorräder haben und wieviel Kubik. Sie machen Selfies und wollen unseren Instagram Account wissen. Roland ist froh, dass er hat keinen und sie zu mir schicken kann.

Kurz vor Takht-e Soleiman kaufen wir Vorräte ein. Pasta mit Tomatensauce für heute Abend, Milch, Orangensaft und eingelegt Aprikosen für das Frühstück morgen. Als wir bei der Festung ankommen, entdeckt Roland einen Hügel in unmittelbarer Nähe. Wir fahren mit unseren Bikes hinauf und bauen oben unser Zelt auf. Es ist der perfekte Platz – von unten sieht uns keiner, aber wir haben den direkten Blick auf den Sonnenuntergang hinter der Festung.

Nachdem die Sonne untergegangen ist, wird es tatsächlich kühler, immerhin haben wir unser Nachtlager auf 2.230m aufgeschlagen. Wir sitzen satt und zufrieden auf unseren Campingstühlen, schauen auf die mittlerweile beleuchtete Festungsmauer und immer mehr Sterne erscheinen am Himmel – wir können uns momentan keinen schöneren Ort vorstellen. Lediglich ein kühles Bier in der Hand könnte dem Abend noch die Krone aufsetzen.

Sightseeing in Tabriz

Unseren zweiten Tag in Tabriz verbringen wir mit Sightseeing und auf dem Basar, der aufgrund des wunderschönen, alten Gebäudekomplex in dem er untergebracht ist, zum UNESCO Weltkulturerbe gehört. Wie vermutlich jeder andere Basar ist auch dieser hier in Tabriz in unterschiedliche Bereiche aufgeteilt: Schuhe, Obst, Gemüse, Schmuck und natürlich Teppiche. Allerdings drängen sich die Händler hier nicht auf, rennen dir nicht hinterher oder wollen dich in ihren Laden zerren. Wir schlendern gemütlich von Stand zu Stand, entdecken frische Jasminblüten für Tee, natürlich allerhand Gewürze, sehr viel Reis und kuriose, hauchdünne Platten aus Fruchtkonzentrat. Und auch ganze Ziegen- und Kuhbeine.

Ein junger Iraner spricht uns an und fragt uns, ob er uns ein bisschen herumführen darf. Meistens verlangen die Einheimischen dafür Geld, bzw. sagen hinterher, du darfst ihnen geben was du für richtig hältst. Ein netter Trick um mehr Bezahlung zu erhalten, denn das was wir Europäer für angemessen halten, ist ein Vielfaches mehr, als was sie verlangen würden. Wir willigen ein, weil wir unbedingt in die Jame-Moschee im Basar-Komplex möchten und der Zutritt in Begleitung eines Iraners viel leichter ist. Außerdem kennt er sich tatsächlich gut aus, kann uns viel über die Geschichte des Islams und der Moscheen von Tabriz erzählen. Wir laufen durch die Moschee und anschließend über den Basar, nach einer knappen Stunde bedanken wir uns bei ihm, geben ihm 5 Dollar und ziehen alleine weiter.

Als nächstes sehen wir uns die Blaue Moschee, das Rathaus und den Iwan der ehemaligen Ali Shah Moschee an, den wir bereits nachts so schön beleuchtet gesehen hatten. Vor allem die Blaue Moschee von 1465 ist beeindruckend. Von außen wirkt sie fast langweilig, aber innen fasziniert sie umso mehr. Die Innenräume sind über und über mit Mosaiken verziert, die Blumen, Sternenbilder, Wolken und Schriftzeichen darstellen. Für die Blautöne hat man Kobalt oder sogar Lapislazuli und für die Gelbtöne Blattgold verwendet. Viele der Mosaike sind noch sehr gut erhalten und man kann sich gut vorstellen, welcher Aufwand dahinter gesteckt haben muss.

Zurück im Hotel rufen wir Ali an, den wir an der Grenze kennen gelernt hatten. Mit ihm wollen wir uns heute noch treffen, aber zuerst schickt er uns Amin, einen seiner Deutschschüler, der mit uns zum Geldwechseln geht. Wir hatten in der Türkei ein paar Euro gewechselt und wie sich jetzt herausstellt zu einem unfassbar schlechten Kurs: Nämlich dem offiziellen Wechselkurs der Banken. Für 1€ haben wir 50.000 Rial erhalten, bei der Wechselstube in der Nähe des Basars sind es ganze 90.000 Rial. Ich tausche 200€ und bin jetzt Multimillionär.

Wir gehen mit Amin ins Cafe Nuts, einen süßen, kleinen Laden im Nordosten von Tabriz, den ein Armenier führt. Er braucht zwar ziemlich lange, bis er drei Kaffee zubereitet hat, aber es lohnt sich zu warten. Es gibt einen richtigen Cappuccino, die Bohnen werden frisch gemahlen und man bekommt eine Praline mit 76% Kakaoanteil. Inzwischen sind Ali und ein weiterer Freund von Amin gekommen und wir unterhalten uns prächtig, lachen viel und es fühlt sich an, als würden wir uns schon sehr lange kennen. Nebenbei läuft Fußball. Deutschland verliert und fliegt aus der WM.