Fahrt nach Esfahan

Oha… der Tag fehlt ja noch. Bis auf die Rekordkilometer, nämlich 483 in exakt 8 Stunden, gibt es fast nichts zu berichten. Außer dass wir ein tolles Hotel direkt an einer der historischen Brücken von Esfahan bekommen haben. Zu einem Spitzenpreis von 2.4 Mio Rial, also keine 30€/Nacht.

Ali Sadr: Die schönste Höhle der Welt

Wir starten den Tag gemütlich, mit einem langen und ausgiebigen Frühstück in unserer schattigen Sitzecke. Der Springbrunnen plätschert vor sich hin und ich genieße die Abgeschiedenheit und damit auch die Freiheit, so angezogen zu sein wie ich möchte. Und es in meinen Augen bei 35°C im Schatten angebracht ist.  Die beiden Töchter sind auch schon wach und suchen den Kontakt. Die iranische Schule geht erst am 23. September wieder los und daher besuchen viele Kinder – wenn es sich die Eltern leisten können – diverse Sommerschulen. Die beiden haben Klavier-Unterricht, lernen Englisch und Französisch. Sie haben keine Scheu, sich mit uns auf Englisch zu unterhalten und stellen uns viele Fragen. Geduldig antworten wir, während wir die zweite Runde Kaffee genießen. Dann müssen sie los zum Französisch-Unterricht. Und wir machen uns fertig für die Fahrt zur Ali Sadr Höhle, die ca. 60 km entfernt liegt.

Wir stellen unsere Bikes auf dem Parkplatz ab, machen Helme und Jacken an den Bikes fest und laufen 15 Minuten durch ein Wirrwarr aus Souvenier-Läden, Restaurants und Kindern-Karussells bis wir endlich am Ticket-Schalter ankommen. „Price Ali Sadr Cave for foreigners: 750.000 Rial“ steht auf dem Schild über dem Kassierer. Je nach Wechselkurs sind das zwischen 7€ und 10€. Halleluja ist das teuer im Vergleich zu allem anderen bisher im Iran.  Nach weiteren 10 Minuten Fußmarsch (in Motorradklamotten, zur Erinnerung) sind wir am Eingang der Höhle. Wir befinden uns in einem modernen Warteraum, der an einen Bahnhof erinnert und viel zu groß ist, für die paar Leute, die hier rumlaufen. Im Reiseführer stand, man soll die Wochenenden meiden, da die Höhle viel zu überlaufen sei. Das können wir so nicht bestätigen.

Wir zeigen unser Ticket, bekommen blaue Schwimmwesten angezogen und steigen eine breite Treppe hinunter. Nach der Treppe folgen wir einem Weg und bereits jetzt befinden wir uns direkt in der Höhle. Der Weg wird teilweise von herabhängenden Felsen versperrt und rechts und links vom Weg sieht man immer wieder klares Wasser. Wir kommen an eine Bootanlegestelle und setzen uns auf die gleichen Plastikstühle wie im Warteraum. Uns gegenüber sitzt eine Familie, Vater, Mutter und Sohn. Zu ihren Füßen Körbe und Tüten voll Essen, außerdem sehe ich eine Thermoskanne und andere Flaschen. Für den Fall, dass wir hier unten eingesperrt sind, ist die Verpflegung für die nächsten zwei Wochen gesichert., denke ich mir. Vermutlich habe ich die Vorräte zu lange inspiziert, denn kaum sitzen wir, drückt uns der Vater ein Glas Tee in die Hand und reicht uns eine Schale mit Würfelzucker. Wir haben nicht mal den Hauch einer Chance, nein zu sagen. Der Tee ist gut und heiß, leider muss ich ihn hinunterstürzen, da wir angewiesen werden, in die Boote zu steigen. Meine Speiseröhre hat jetzt Verbrennungen 1. Grades.

Wir sitzen mit der Mutter und dem Sohn im letzten von drei Booten, die hintereinander an einer Schnur hängen und von einem Tretboot durch die Höhle gezogen werden. Im Tretboot sitzt der Vater neben einem Angestellten aus der Höhle. So fahren wir eine gute Weile, sehen interessante Felsformationen, Kristalle und Tropfsteine an den Decken, die hin und wieder dank geschickter Beleuchtung in allen Farben des Regenbogens schimmern. Kitschig, aber irgendwie auch schön. Wir steigen aus und laufen ein Stück geführt durch die Höhle. Die Höhlennetz ist angeblich über 60 km lang, der bisher erforschte Teil ist 11km lang und davon sind 3km für den Tourismus freigegeben. Wir sind beeindruckt von der Größe der einzelnen Räume, den vielen verschiedenen Gesteinen und Formen. Es ist wirklich die schönste und größte Höhle, die ich jemands besichtigt habe.

Der Vater mit dem Tee von vorhin bittet mich immer wieder, von ihm, seiner Frau und seinem Sohn Bilder zu machen. Dann mit uns beiden. Dann nur er und Roland. Seine Frau und ich. Alle fünf Minuten ein Foto. Misses, Misses, ruft er immer, stellt seine Körbe ab und positioniert sich und seine Familie. Ich sehe Roland an, dass es ihn langsam nervt, aber nachdem wir nach jedem Foto gefüttert werden, mit Trauben, Nüssen, Kirschen, Keksen lässt er das Theater über sich ergehen. Gute zwei Stunden waren wir in der Höhle, die 10€ haben sich wirklich gelohnt.

Auf dem Rückweg ins Hostel sehen wir uns noch den Steinlöwen aus der Zeit Alexander des Großen, von ca. 330 v. Chr. an und kaufen für das Abendessen sein. Ich koche und Roland plant die Route für morgen, wir wollen versuchen die knapp 500 km bis Isfahan durchzufahren.

Von Kermashah nach Hamedan

Um 8.30 klingelt der Wecker, wie jeden Morgen. Und keine zwei Minuten später klopft es an der Zimmertür. Roland öffnet und vor ihm stehen zwei Damen. „Cleaning!“ meinen sie. Roland sagt etwas erstaunt „Äh yes, later“ und schließt die Tür wieder. Was soll das denn! Wir haben heute beide keine besonders gute Laune, sind vom gestrigen Tag noch geschlaucht, die Militärkontrolle hat vor allem mich mitgenommen und die Luft hier in Kermanshah ist unerträglich. Es riecht bereits morgens auf dem Balkon nach Benzol. Oder Öl oder Chemie. Die Seidenstraße haben wir uns anders vorgestellt.

Es ist es genauso diesig wie gestern und bereits nach ein paar hundert Metern Fahrt fangen unsere Augen an zu Tränen. Blöderweise wollen wir uns in der näheren Umgebung zwei Reliefs ansehen, sowie einen bedeutenden Ort der Seidenstraße mit Karawanserei.  Nach Taq-e Bostan fahren wir noch – es handelt sich hierbei um zwei Grotten mit Reliefs aus dem 4. Jahrhundert. Aber dann suchen wir das Weite und halten bis zum 160km entfernten Hamadan nur noch 1x an, um Wasser zu kaufen. An Bisotun rauschen wir auf der Schnellstraße vorbei. Es ärgert mich sehr, denn ich hätte das Relief und die Karawanserei gern gesehen. Mein Bauchgefühl sagt aber, dass wir hier so schnell wie möglich verschwinden sollten.

In Hamedan haben wir ein Hostel rausgesucht, wir haben genug von abgewohnten 4-Sterne-Hotels mit schlechtem Wifi und noch schlechterem Frühstück. Aber als wir dort ankommen, ist niemand da. Wir fahren in die Stadt zum Essen und bitten anschließend den Besitzer des kleinen Imbiss, sein Telefon benutzen zu dürfen. Roland macht eine Zeit aus und als wir vor dem Hostel stehen, öffnet wieder niemand. Roland spricht daraufhin den Nachbarn von gegenüber an, ob er uns helfen kann. Er spricht zwar kein Englisch, versteht aber unser Problem und ruft die Nummer vom Hostel an. Nach dem Gespräch bedeutet er uns, dass es eine Stunde dauert, bis jemand kommt und bittet uns in sein Haus. Zuerst lehnen wir ab, aber dann kommt eine ältere Dame im schwarzen Tschador gekleidet zu uns gelaufen und winkt uns herein. Sie lächelt dabei so nett, dass ich nicht ablehnen kann.

Kurz darauf sitzen wir mit 3 Frauen und 2 Männern und einem kleinen Mädchen im Wohnzimmer zusammen. Die ältere Dame deutet an, ich soll Jacke und Kopftuch ausziehen. Ich bin nicht sicher, aber auch die beiden Männer machen eine Handbewegung nach dem Motto: Nur keine Angst, runter damit. Also gut, ich bin froh, beides los zu sein. Dann zeigen sie mir das Bad und zuerst darf ich mir Hände und Gesicht waschen und dann Roland. Die Klimaanlage läuft auch Stufe 10 und man serviert uns ein Saftgetränk mit Crushed Ice. Keiner spricht Englisch, außer: Germany football out ohohoho. Keine Ahnung wie oft sich Roland das anhören musste in den letzten Tagen. Er reißt sich wie immer zusammen, lächelt und antwortet: But Iran also out ohohohoho. Wir stellen uns gegenseitig vor und einen Namen kann ich mir gut merken. Das kleine Mädchen heißt Anis, übersetzt „Liebe“. Was für ein wundervoller Name denke ich mir. Die Unterhaltung funktioniert ab jetzt nur noch über google translator und wir werden gefragt, wie lange wir schon im Iran sind, ob es und gefällt, wie lange wir bleiben, und was wir uns in Hamedan ansehen wollen. Wie immer ziehen wir in diesem Moment unseren Reiseführer heraus und zeigen auf die Sehenswürdigkeiten. Die Ali Sadr Höhle wird uns empfohlen. Sehr gut, denn dort wollen wir morgen hin.

Es klingelt an der Tür und es ist die Dame vom Hostel. Wir verabschieden uns, machen noch ein Foto und fahren mit den Bikes in den kleinen Innenhof vom Hostel. Es gefällt mir sofort. Der Innenhof ist zum Teil mit Kies aufgeschüttet, es gibt mehrere Sitzecken, eine Außenküche und einen kleinen Springbrunnen in der Mitte. Alle Wände sind bemalt oder mit bunten Ornamenten versehen und überall stehen Blumen und Pflanzen. Es wirkt sehr orientalisch und ich fühle mich sofort wohl. Wir bekommen ein Zimmer im Erdgeschoss, mit Kitchenette, Bad, Wohnzimmer und Schlafzimmer (klein und ohne Fenster, aber wir haben sowieso nicht vor uns dort lange aufzuhalten.) Die Besitzerin meint, ich darf hier rumlaufen, wie ich möchte, erveryone is free here. Begeistert ziehe ich das Kopftuch aus, werfe mich in Sommerhose und Tanktop und mache es mir auf der Bank vor unserem Zimmer gemütlich. Die Besitzerin wohnt mit ihren beiden Töchtern, 10 und 7 Jahre, im Haus nebenan, ihr Mann arbeitet als Sport-Lehrer in Teheran.

Um 20 Uhr gehen wir nochmal raus in die Innenstadt, genauer gesagt zum Basar. Im Gegensatz zu Tabriz herrscht hier richtiger Trubel. Es ist voll, Menschen drängeln sich kreuz und quer durch die Gänge. Die Händler preisen lautstark ihre Ware an, Mopeds bahnen sich hupend ihren Weg und sogar ein Taxi versucht zwischen den Obstständen voran zu kommen. Uns gefällt‘s und wir beschließen kurzerhand, nicht nur eine Nacht zu bleiben, sondern zwei und kaufen alles für ein ordentliches Frühstück ein. Eier, Pilze, Tomaten, Zwiebeln, Erdbeeren, gelbe Pflaumen, Milch, Orangensaft und lassen in einem kleinen Laden Espressobohnen frisch mahlen.

Auf dem Heimweg werden wir von zwei Mädels Mitte 20 angesprochen. Wir wurden von der Tante der beiden gesehen und sie möchte uns heute Abend zu sich einladen und wenn wir noch kein Hotel haben, sollen wir bei ihnen schlafen. Der Onkel der beiden arbeitet bei Amazon in Hamburg erzählen sie uns, sie lieben Deutschland und sie würden sich so sehr freuen, wenn wir heute Abend zu ihnen kommen. Es ist fast 23 Uhr und wir sind ehrlich gesagt zu müde und sagen ihnen das. Schade, denn nach der schönen Erfahrung von heute Nachmittag wäre ich eigentlich gern mitgegangen.