Das Pamir Abenteuer beginnt!

Wir verabschieden uns mittags von Aziz und starten unsere Reise auf dem Pamir Highway, der von Dushanbe bis nach Osh in Kirgistan verläuft und ca. 1.200 km lang ist. Seine höchste Erhebung ist der Ak Baytal Pass mit 4.655m kurz vor dem Karakol-See. Der Pamir Highway ist die zweithöchste befahrbare Pass-Straße der Welt, weiter rauf geht es nur am Karakorum Highway in Pakistan. Mein eigentlicher Plan war es, genau dorthin zu fahren. Ich hatte in der Vorbereitung auf unserer Reise immer wieder eine neue Routenplanung erstellt, aber nie ging es sich zeitlich aus. Anfangs war ich enttäuscht, aber mittlerweile habe ich mich damit abgefunden „nur“ die Nummer 2 zu fahren. Man kann eben nicht alles auf einmal haben, wenn die Zeit begrenzt ist.

Die erste Etappe führt von Dushanbe nach Kaleikhum. 270km sind es insgesamt, 160 davon offroad. Noch ist es warm, knapp 30°C und auch ein bisschen bewölkt, nicht alle umliegenden Berggipfel sind sichtbar. Die Landschaft ist trotzdem atemberaubend schön und wechselt von schroffen Felsen zu begrünten Hängen. Zuerst fahren wir auf Asphalt, nach etwas über 100km auf losem Schotter. Immer wieder umfahren wir im Slalom tiefe Schlaglöcher. Ab und zu kommen uns 40-Tonner plus Anhänger entgegen. Die meisten kommen aus China. Böse Zungen nennen den Pamir Highway auch Plastic Road. Mit dem Motorrad ist die Straße ein Abenteuer, mit dem Lkw für mich totaler Wahnsinn. An manchen Stellen ist die Piste so schmal, dass ich auf die linke Spur wechsle, weil es rechts unfassbar tief bergab geht. Die Lkw Fahrer müssen extrem mutig und schwindelfrei sein, ihr Fahrzeug durch solche engen Passagen zu manövrieren. Offensichtlich haben sie auch Respekt vor uns, denn alle winken uns aus ihrem Fahrerhaus zu. Apropos Respekt: Wir überholen ein paar Radler und Roland und ich sind uns einig: Wer den Pamir Highway mit dem Fahrrad fährt, ist der wahre Held.

Auf halber Strecke haben wir 13.000km seit unserer Abreise Anfang Juni geschafft und machen unser obligatorisches Beweisfoto.

In Kürze wird die Sonne untergehen und es ist klar, dass wir mal wieder im Dunkeln fahren werden, da wir noch lange nicht am Ziel sind. Da die Birne von meinem Abblendlicht zum 3. Mal durchgebrannt ist und ich nur Fernlicht habe, fahre ich voraus. Eine Serpentinenstraße halb Asphalt halb Schotter schlängelt sich den Berg nach unten und wir gelangen an den Fluss Obikhumbou der in den Pyandzh Fluss mündet, den Grenzfluss zwischen Tadjikistan und Afghanistan. Wirklich sehen kann ich den Fluss nicht im Dunklen, aber hören, so stark rauscht er.

Kurz vor Kaleikhum ist nochmal eine Pass- und Permit-Kontrolle. Für alle anderen Reisenden ein Hinweis: Um den Pamir zu fahren muss man beim Visum „GBAO Permit“ auswählen – kostet nichts extra aber nur so darf man hier fahren.

Im Ort angekommen werden wir gleich vom Besitzer des Hostels abgefangen, das uns Aziz genannt hatte. Er scheint auf uns gewartet zu haben. Wir parken unsere Bikes umständlich rückwärts in dem schmalen Eingang seines Hostels aber wenigstens stehen sie so sicher. Zum Abendessen gibt es eine kräftige und gut gewürzte Rindersuppe mit Gemüse und Kartoffeln, dazu Brot, Salat und Obst. Roland hat noch schnell Bier gekauft (1,5l Plastikflasche) und wieder mal sitzen wir geschafft aber auch glücklich über einen wunderschönen ersten Fahrtag am Pamir an unserem Tisch und lassen den Tag Revue passieren.

Felgen-Reparatur auf tadjikisch

Nach dem Frühstück fahren wir zum Bike House, das 500m entfernt von unserem Hostel liegt. Aziz, der Mechaniker mit dem wir geschrieben hatten, bearbeitet gerade eine Felge – die zu einer 1200 GS gehört. Die Belgier sind hier. Genau wie ich hat auch Michelle einen Schlag in seiner Felge – Speiche wohlgemerkt.

Nach einer Stunde ist meine Felge dran. Aziz demontiert den Reifen, dann holt er einen uralten Bunsenbrenner heraus und zündet ihn an. Er hält die Flamme direkt an die erste Stelle mit dem Schlag. Abenteuerliche Methode, aber ich habe keine andere Wahl. Ich muss Aziz vertrauen. Nachdem er die Felge ausreichend erhitzt hat, holt er Hammer und ein Hartgummistück und bearbeitet die Stelle so lange, bis die Felge wieder normal aussieht. Das gleiche macht er mit dem kleineren Schlag. Roland hilft ihm und hält die Felge dabei fest. Nach 20 Minuten sind sie fertig und die Felge fast ganz gerade. Zum Schluss ein bisschen Sprühlack drauf und der Reifen wird wieder montiert, aufgepumpt und das Rad eingebaut. 100 Somoni macht die Reparatur, keine 10€. Ich bin erleichtert und froh, dass ich die Reise fortsetzen kann.

Aziz ist nicht nur Mechaniker, er organisiert auch Touren auf dem Pamir Highway und gibt uns viele Tipps zur Route, welche Etappen man an einem Tag schafft, welche Teilstrecken schwierig sind und wo man am besten übernachtet. Wir verabreden uns für heute Abend zum Essen, dann fahren Roland und ich ins Hostel. Da ich auf dem Pamir Highway viel campen möchte und es auch untertags unter 10°C werden kann, packe ich meine Taschen um. Warme Sachen nach oben und Camping Ausrüstung griffbereit. Außerdem bekomme ich meine Tadjikische SIM Karte von MegaFon für 10$. Interessanterweise haben die Karten hier unzählige Freiminuten und 3GB Datenvolumen – wobei die Messenger wie Whatsapp und Facebook frei sind und kein Datenvolumen verbrauchen. Ich bin im Internet-Himmel.

Aziz holt Roland, Philippe und mich um 20 Uhr mit dem Taxi ab und wir fahren in die „Bundes-Bar“. Auf dem Logo der Bar ist der österreichische Bundesadler und es gibt Schnitzel und Pasta. Nach fast 13.000 km Fahrt sind wir der (quasi) Heimat immer noch nicht entkommen. Wenigstens schmeckt das Bier nicht so gut wie daheim, Bierbrauen können halt doch nur die Bayern.

Hallo Tadjikistan!

Um 8.30 Uhr hab ich die E-Mail mit unseren Tadjikistan-Visa im Posteingang. Da im Guesthouse der Drucker kaputt ist, werden wir später einfach in irgendein Hotel fahren, um das Visum auszudrucken.

Nach dem Frühstück verabschieden wir uns von Khalid und seiner Familie. Sein Vater betont noch einmal, dass wir bei ihm daheim herzlich willkommen sind. Egal ob jetzt oder später. Und er fügt hinzu, dass es in ein paar Jahren sicherer für uns ist, wenn der Krieg vorbei ist. Wir tauschen unseren Facebook-Kontakt aus und starten los. Im Asia Hotel direkt um die Ecke frage ich nach, ob sie unser Visum ausdrucken können. Das Personal ist super nett und ruckzuck halte ich das Visum in den Händen.

Wir fahren keine Stunden zur Grenze und die Ausreise aus Usbekistan wäre in 10 Minuten erledigt – wenn ich nicht mein Dokument für die Motorrad-Registrierung verschlampt hätte. Ich suche in allen Taschen, finde es aber nicht. Was bin ich froh, dass die usbekischen Grenzbeamten auch Computer nutzen. Der Beamte findet meine Daten im „Internet“ wie er sagt. Er zeigt mir am Bildschirm die Maske. Meine Passport-Nummer, Zickis Kennzeichen, Chassis Nummer und Farbe, alles da. Puh Glück gehabt! Ansonsten „Big problem“ meint er. Ich danke ihm tausendmal und nach wenigen Minuten dürfen wir weiter zum tadjikischen Grenzposten fahren. Wir werden mit einem Lächeln empfangen, unser Reisepass wird gescant, ein Foto gemacht und schon sind wir in Tadjikistan.

Auf dem Weg nach Dushanbe liegt der Ort Panjakent und hier gibt es eine Touristeninfo, die leider bereits zu hat (geöffnet von 10-14 Uhr), als wir dort ankommen. Hier wollten wir uns eigentlich eine SIM Karte kaufen, angeblich 3GB für 5$. Dann eben nicht. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. In der Bank schräg gegenüber wechseln wir Euro. In Tadjikistan gibt es – anders als in den vorherigen Ländern – keinen Schwarzmarkt zum Tauschen. 11 Somoni sind 1 Euro. Endlich mal wieder ein Wechselkurs, bei dem man keinen Rucksack voll Geld mit sich herumschleppen muss.

Tadjikistan empfängt uns mit einer wunderbaren Panoramastraße, die durch eine mächtige Bergkette mit Gipfeln über 5.000m führt. Nach so viel Wüste in Usbekistan und Turkmenistan genießen wir die Kurven und die Bergelandschaft und sind wieder mal erstaunt, wie schnell sich eine Landschaft und die Natur innerhalb weniger Kilometer ändern können. Wir fahren den Fluss Varzob entlang und Roland bekommt Appetit auf Fisch. An einem Restaurant mit Sitzplätzen direkt am Wasser halten wir an und Roland bestellt sich so was wie eine Forelle, die aufgeschnitten wurde und von allen Seiten angebraten ist. Ich esse Salat – was sonst.

Im Dunkeln erreichen wir Dushanbe und das Green House Hostel, eine Lonely Planet Empfehlung und Treffpunkt für viele Biker und Radler. Sie haben kein freies Zimmer mehr und wir versuchen es im „Hello Dushanbe“ keine 100m weiter. Hier bekommen wir ein super schönes Zimmer mit Kingsize Bed und 20qm großem Bad für 30$ inkl. Frühstück. Unsere Bikes parken wir im Innenhof neben einer Africa Twin, die Philippe aus Wien gehört. Wir unterhalten uns kurz mit ihm. Philippe hat ein technisches Problem bei seiner neuen Africa Twin, die Gabel ist undicht und er hat morgen ebenfalls einen Termin bei Aziz im Bike House.