20.000 km

20.000 km an unserem 80. Reisetag. Das sind 250 km pro Tag für die Statistikliebhaber. That’s German Genauigkeit.

Tankstelle vermisst!

Auch heute wieder wollen wir viele Kilometer machen und mindestens bis zur Stadt Oral kommen, die unser nördlichster Punkt sein wird und an der Grenze zu Russland liegt. Leider haben wir heute ekligen Wind von schräg vorne, der das Fahren anstregend macht und vor allem den Benzinverbrauch in die Höhe treibt. Wir haben uns blöderweise nicht schlau gemacht, wann Tankstellen auf der Strecke kommen. Zwar haben wir beide unsere Kanister voll aber Rolands nineT verbraucht wesentlich mehr Benzin als meine. 200 km vor Oral geht seine Warnleuchte für die Tankanzeige an. Das heißt laut offiziellen Angaben kommt er noch 50 km weit. Laut Navi und maps.me ist die nächste Tankstelle in Oral. Roland fängt an zu rechnen. Selbst mit seinen beiden Kanistern kommt er nicht bis Oral. Ich hab noch ca. 100 km Restreichweit und bin auch auf meine Kanister angewiesen, könnte es dann aber bis Oral schaffen. Also bleibt uns nur eine Möglichkeit: Wir fahren kraftstoffsparend bis Rolands Tank leer ist, dann bekomme ich alle Kanister und schleppe ihn ab. Ein Seil haben wir ja dabei. Also klemmt er sich in meinen Windschatten und wir tuckern eine gute Stunde mit 80 km/h dahin.

Nach 85 km dann das kleine Wunder: es taucht unerwartet eine Tankstelle auf. Ich biege ein und im selben Moment höre ich, wie der Motor der nineT ausgeht. 25 m vor der Tankstelleneinfahrt. Und wenn die Einfahrt nicht ein kleines Stück bergauf gehen würde, hätte Roland es geschafft, bis zur Zapfsäule zu rollen. So muss er die letzten 10m schieben. Was haben wir doch für ein Dusel.

Mit vollem Tank geht es weiter. Kurz vor Oral verliere ich eine Schraube vom Scheinwerferhalter. Ich spüre zwar noch wie sie auf meinen linken Fuß fällt, halte an und fahre ein Stück zurück aber die Suche bleibt erfolglos. Roland hat zum Glück eine passende Schraube dabei und nach 10 Minuten „Reparatur“ können wir wieder weiter fahren. In Oral kaufen wir Vorräte ein und suchen uns ein paar Kilometer weiter einen Platz zum Zelten. Es wird ein Platz mit Blick auf den Fluss, wenn auch ohne direkten Zugang zum Wasser. Egal, wir haben ja heute Morgen ausgiebig gebadet.

Statt Spaghetti gibt es heute Brotzeit mit Käse und selbstgemachtem Wurstsalat – die Kasachen haben doch tatsächlich sowas wie Knacker. Zufrieden sitzen wir in unseren Stühlen und sehen zu, wie der Mond zwischen den Bäumen aufgeht.

Kamel vermisst!

Was für ein wunderschöner Morgen! Ich schaue aus dem Zelt auf unsere Bikes. Die Sonne scheint und ich freu mich auf ein Bad im See. Der See ist eigentlich eine Lagune, das glasklare Wasser ist gerademal knietief und der Grund feinster, weißer Sand. Kasachstan ist die gröste Überraschung auf unserer Reise bisher. Ich dachte, dass wir Kasachstan auf dem schnellsten Weg durchfahren, weil es hier außer Wüste nichts gibt. Wie sehr ich mich doch getäuscht habe.

Nach der Morgenwäsche bleiben wir noch ein bisschen im Wasser und genießen die warmen Sonnenstrahlen und die Ruhe. Zum Frühstück gibt es Kaffee und Brot mit Honig – die 1L Flasche aus Kirgisistan scheint nicht leerer zu werden.

Beim Aufpacken dann der Schock: Mein Kamel aus Usbekistan ist weg. Roland hatte uns beiden ein Stoffkamel gekauft, das an unserem Tankrucksack hing. Meines ist vermutlich bei einem meiner Stürze im Sand gestern abgegangen. Ich bin unendlich traurig und weine dicke Krokodilstränen. Das Kamel war mein einziges Souvenir. Roland möchte mir sein Kamel überlassen, ich lehne ab. So funktioniert das nicht. Mein Kamel ist weg, weil ich nicht ordentlich darauf aufgepasst habe. Da muss ich jetzt durch. Und weine weiter. Roland meint, er kauft mir ein neues Souvenir. Lieb gemeint, aber das beruhigt mich auch nicht.

Unsere heutige Etappe wird lang, wir wollen bis Aktöbe fahren, das sind über 700 km. Die Straße ist zum Glück Bombe, perfekter Asphalt und die meiste Zeit sind 110km/h erlaubt. Natürlich sehen wir wieder viele Kamele. Das ist jedes Mal ein Stich ins Herz, denn ich vermisse mein Stoff-Kamel.

In der Stadt Aral tanken wir voll und kurz danach sehe ich Frauen am Straßenrand mit großen getrockneten Fischen winken. Auf den Tischen stehen Plastikflaschen mit Kamelmilch. Und ich sehe Nierengurte. Roland stopp, wir drehen um! Hier verkaufen sie Nierengurte aus Kamelhaar. Kaum stehen wir, kommt die jüngere von beiden mit der Milch angelaufen. Nein sage ich und zeige auf den Kleiderbügel, an dem gestrickte Socken, ein Pullunder und die Nierengurte hängen. Sie zeigen uns verschiedene Modelle, Roland sucht sich einen aus und ich auch. Umgerechnet 2,50€ möchten sie für einen haben. Gekauft!

Die beiden Damen wollen uns gern noch einen Pullunder verkaufen, oder Kamelmilch oder einen Fisch. Nein danke, kein Platz sage ich. Sie bestehen darauf, dass ich wenigsten eine der weißen Kugeln probiere. Sieht aus wie ein Marshmellow ist aber hart. Und es schmeckt säuerlich. Ich habe eine Vermutung. Es ist vergorene und getrocknete Kamelmilch. Roland bekommt die Hälfte. Bevor er fragen kann, was es ist, steckt es schon in seinem Mund. Ehrlich gesagt, hatte ich den Geschmack schlimmer erwartet, Roland findet es auch ganz o.k. Wir kaufen trotzdem nichts davon und fahren wieder weiter. Auch wenn der Nierengurt kein Ersatz für mein Kamel ist, bin ich nun etwas besser drauf. Endlich hab ich wieder einen Nierengurt, meiner ist nämlich irgendwo in Kirgisistan verloren gegangen.

Es ist nach 22 Uhr und stockdunkel, als wir in Aktöbe im Hotel ankommen. 738 km haben wir heute geschafft. Die Dame an der Rezeption spricht kein Englisch, ein anderer Gast hilft weiter und so können wir tatsächlich noch Bier und Essen bestellen, das uns sogar aufs Zimmer geliefert wird.