Zurück an der Schwarzmeerküste.

Wir frühstücken ausgiebig und fahren erst kurz vor Mittag los. Ziel heute: Die Schwarzmeerküste. Relativ schnell sind wir in den Bergen auf 1.000 Höhenmeter. Im Gegensatz zu gestern haben wir heute perfekte Bedingungen: Schnelle und kurvige Straßen, kaum Verkehr und 25°C.

An jeder Tankstelle, an der wir bisher angehalten haben, werden wir gefragt, woher wir kommen und wohin wir noch fahren. Und wieviel ccm unsere Bikes haben. Heute werden wir sogar vom Tankwart auf einen Cay eingeladen und er möchte ein Foto mit Roland machen. It’s a men’s world… fange ich in Gedanken an zu singen…

Für die nächsten drei Stunden fahren wir die Küstenstraße entlang, die sich auf etwa 200m über dem Meer den Berg entlang schlängelt. Immer wieder durchfahren wir kleine Ortschaften. Gegen 17 Uhr halten wir die Augen offen nach einem Hotel. In einer Kurve fällt unser Blick auf eine Bucht mit smaragdgrünem Wasser, das gleichmäßig an die steil abfallende, dicht bewachsene Felsenküste schwappt. Von hier oben sieht es wie ein Idyll aus. Das müssen wir uns ansehen.

Der Weg hinunter ist steil und da wir nicht die einzigen sind, die dieses Kleinod gesehen haben, müssen wir zusammen mit einigen Autos die rauf oder runter wollen, hin und her rangieren. Fast kippt mein Bike gegen einen kleinen Omnibus. Ich schreie kurz und schaffe es, sie wieder gerade zu richten. In der Bucht gibt es ein kleines, einfaches Restaurant und eine Pension. Und es ist sogar noch ein Zimmer frei. Allerdings ist es rund herum so stark vermüllt, dass uns die Lust vergeht, hier zu übernachten. Was für eine Schande, einen so schönen Flecken Erde so verkommen zu lassen.

Da aktuell Ferien sind, gestaltet sich die Suche nach einem Hotel nicht so einfach wie erhofft. In Cide werden wir dann endlich fündig. Auf Empfehlung eines Tankwarts fahren wir zum Yali Hotel. Es liegt an einem kleinen Kreisverkehr abseits der Hauptstraße und ist nur durch eine Straße vom Wasser getrennt ist. Wir bekommen das letzte Zimmer.

Zum Hotel gehört auch ein Restaurant direkt an dem kleinen Steinstrand gegenüber. Alle neun Tische sind ein einer Reihe parallel zum Wasser angeordnet. Wir nehmen den Tisch in der Mitte und bestellen Salat mit Schafskäse, Reis und Fisch sowie Wein und Bier. Wir haben uns vorher vergewissert, dass alle Gäste Alkohol trinken und den Ramadan scheinbar nicht so ernst nehmen. Während wir unser Essen genießen, beobachten wir die Sonne, wie sie langsam hinter der Kaimauer weit draußen im Meer untergeht und den Himmel in ein kräftiges rot-orange taucht. Es könnte nicht kitschiger sein.

Es gibt nur eine Verkehrsregel in Istanbul: Hupen!

Es ist nicht die beste Idee, am ersten Tag des Fastenmonats „Ramadan“ Motorrad zu fahren. Ab Mittag legt ganz Istanbul die Arbeit nieder und fährt nach Hause. Die Straßen sind noch voller als sonst. Egal, Augen zu und durch – schließlich möchten wir heute unbedingt den asiatischen Kontinent betreten. Also rein in die hektische Blechkolonne, die sich hinaus aus der 17 Mio. Metropole bewegt.

Es gibt drei Brücken über den Bosporus und einen Tunnel. Blöderweise landen wir im Tunnel, was uns richtig ärgert, auch wenn es dort angenehm kühl war. Auf der anderen Seite angekommen, suchen wir uns einen Platz am Wasser, um wenigstens so einen Blick Richtung Istanbul zu erhalten. Ich lege meine Jacke ab und merke, dass ich bereits nach einer guten Stunde Fahrt völlig durchgeschwitzt bin. Roland geht es nicht anders. Und es liegen noch einige Kilometer vor uns.

Für die kommenden 100km brauchen wir 4 Stunden. Es sind einfach zu viele Autos und es gibt immer wieder Unfälle. Wir kommen nur langsam voran, obwohl wir uns nach kurzer Zeit ein vermutlich nur halb legales Manöver der türkischen Rollerfahrer abgeschaut haben: Wir fahren wenn es die Fahrbahnbreit erlaubt, neben dem ganz rechten Fahrstreifen an der Kolonne vorbei und hupen Autos, die im Weg stehen einfach weg. Roland fährt vor und ich hupe ihm den Weg frei. Roland hupt nämlich nicht gern, ich hingegen schon.

Generell ist die Hupe sehr beliebt bei den türkischen Verkehrsteilnehmern. Ich schätze, es wird mehr gehupt als in Rom und Neapel zusammen. Man hupt wenn man überholt oder abbiegt, jemanden grüßt oder schimpft, als Warnung oder einfach zum Spaß.

Mit letzter Kraft suchen wir uns ein Hotel in Düzce. Preis-Leistung wie immer großartig hier in der Türkei, 25€ für das Zimmer inkl. Frühstück: Ein bombastisches Frühstück, wie wir am nächsten Morgen feststellen. Nach einer Dusche gehen wir noch einen Happen Essen und schauen uns die Feierlichkeiten zu Beginn des Ramadan an. Die ganze Stadt ist voll mit Menschen. Jungs, die lässig in Grüppchen zusammen stehen, Mädchen die aus ihren Burger King Pappbechern trinken, Familien mit zwei, drei Kindern flanieren durch die Fußgängerzone, die Älteren sitzen um einen Brunnen herum und unterhalten sich lautstark.  Alle Einwohner der Stadt Düzce scheinen heute auf den Beinen zu sein um die Nacht zum Tag zu machen. Es gibt laute Musik, zahlreiche Fahrgeschäfte und unglaublich viele Buden, die Essen und Süßigkeiten verkaufen. Es fühlt sich an wie eine Mischung aus Fußball-Weltmeisterschaft und Oktoberfest.

Wir sind in der Türkei!

Die Vermieterin überrascht uns mit Nutella-Pancakes und Kaffee zum Frühstück, das wir auf der schönen Terrasse mit Blick auf unsere Mopeds genießen.

Beim Aufpacken spricht uns der bulgarische Nachbar an. Er ist um die 50, braungebrannt, hat eine verblasste Tätowierung am Oberarm, ist nur mit einer Badehose bekleidet und eine Zigarette steckt locker in seinem Mund. Good morning Kollega, sagt er zu uns beiden, I also ride motorcycle. But Chopper, und zeigt auf seine Kawasaki Vulcan. Nice, antworten wir beide höflich. Er will wissen, wo wir hinfahren. Istanbul! Er rät uns, über Burgas zu fahren, ist zwar ein kleiner Umweg, aber die direkt Straße zur türkischen Grenze ist in einem schlechten Zustand. Roland und ich schauen uns an und wir denken beide das gleiche: Yes, das ist unsere Straße!

Die schlechte Straße entpuppt sich als wunderschöne und kaum befahrene, eineinhalb spurige Landstraße, die sich in unzähligen Kurven durch kleine Dörfer und Wälder windet. Wie in Rumänien nisten auch hier viele Storche auf Strommasten und kümmern sich liebevoll um ihre Jungen. Am Ende eines Dorfes steht ein verlassenes, heruntergekommenes Haus, das inzwischen von Pferden bewohnt wird.

Nach 85km stehen wir vor der türkischen Grenze. Inzwischen hat es über 30°C und es gibt keinen Schatten. Es dauert eine Stunde, bis wir durch die Ausweis-Kontrolle und den Zoll sind. Wir müssen die Grüne Karte vorzeigen, die Bikes werden registriert, aber durchsucht wird nichts.

Hinter der Grenze ändert sich die Landschaft schlagartig. Als ob man der Natur gesagt hat: Hier ist jetzt die Türkei, bitte keinen Wald mehr. Wir möchten Steine und Felsen. Wir fahren auf der E87, einer breiten Straße weiter bis Silivri, dort haben wir ein Hotel gebucht.

Zugegeben, bislang fühlt es sich noch nicht wie ein Abenteuer an sondern eher wie ein normaler Motorrad-Urlaub. Momentan sind wir noch auf WLAN angewiesen, um unsere Planungsrückstände aufzuholen. Und gegen ein richtiges Bett und Frühstücks-Buffet haben wir auch nichts.

Beim Abendessen planen wir die Route für die nächsten Tage. Wir wollen an der Schwarzmeerküste bis Trabzon, dann über Erzincan nach Malatya, weiter nach Tatvan und dort auf den Nemrut Dagi, einen 3.000m hohen Vulkan fahren.