Weiterfahrt nach Göreme

Beim genaueren Betrachten der Bilder wird dem ein oder anderen aufgefallen sein, dass Roland mittlerweile Bart-Wildwuchs hat. Er geht deswegen nach dem Frühstück zum „Kuaför Elif“, der ihm nicht nur den Bart stutzt sondern auch Nasen- und Ohrenhaare. Ja, so macht man das hier in der Türkei. Ein halbes Kilo leichter und nur 1,40€ ärmer verlässt Roland den Laden wieder.

Die heutige Etappe ist lang, 698 km fahren wir bis Göreme. Die Straße ist quasi eine Autobahn, zweispurig, mit wenig Verkehr und ein paar schönen, langgezogenen Kurven. Wir sind wie immer spät gestartet, kommen aber schnell voran. Göreme liegt in Kappadokien ist bekannt zwei Dinge: Die Feenkamine und Ballonfahrten. Vor vielen Millionen von Jahren haben Vulkanausbrüche die Gegend mit Asche bedeckt, daraus bildete sich Tuffstein, der über die Jahre durch Wind und Wasser so abgetragen wurde, dass diese lustig aussehenden Feenkamine entstanden sind. Ab dem 4. Jahrhundert haben Christen in die weichen, bis zu 30m hohen Tuffstein-Kamine Kirchen und Wohnungen gebaut und dort gelebt. Die Ballonfahrten gibt es allerdings erst seit 1995, also noch nicht ganz so lang.

Göreme hat uns Helmut, ein langjähriger Freund meiner Familie empfohlen, der ein paar Jahre in der Türkei gelebt hat. Und er hatte mir auch gleich ein Hotel genannt, in dem wir tatsächlich spontan ein Zimmer bekommen. Das Kelebek Hotel ist ein Traum. Es ist terrassenförmig in den Felsen gebaut und in einigen der alten Höhlenwohnungen wurden Zimmer eingerichtet mit alten Fresken aus dem 12. Jahrhundert an Wänden und Decken. Es hat mehrere Terrassen, u.a. vor unserem Zimmer, einen Pool und ein Hamam. Gestern schreibe ich noch, dass mir das ursprüngliche Ostanatolien so gut gefällt und jetzt schwärme ich von einem der größten Touristenorte in der Türkei. Mei, ich bin halt flexibel, kann mich an die jeweiligen Umstände bestens anpassen.

Nach dem Einchecken gibt uns Yusuf vom Hotel noch den Tipp, morgen um 5.45 Uhr auf die Frühstücksterrasse zu kommen und den Flug der Heißluftballons anzusehen, die bei Sonnenaufgang über die Stadt fliegen – mittlerweile sind es über 100 an manchen Tagen.

Einreise Türkei und die Berge Ostanatoliens

Es regnet in Strömen als wir unsere Bikes herrichten und aufpacken. Mein Schutzblech ist ausgerissen und wird mit Draht befestigt, die Kette wird vom Dreck der georgischen Berge befreit und geschmiert und ich möchte die Birne vom Abblendlicht tauchschen, die mal wieder durchgebrannt ist. Dabei sehe ich, dass der ganze Stecker hinüber ist. Alles komplett verkokelt. Roland richtet es fachmännisch mit seinem Multitool und Klebeband und meint, ich soll es halt beobachten und den Schlüssel schnell abziehen, falls es aus dem Cockpit raucht. Alles klar.

Die Grenze ist knapp 20 km entfernt. Bei der Ausreise will die Dame unsere georgische Versicherung sehen. Verdammt. Haben wir nicht abgeschlossen. Ehrlich gesagt, haben wir es in den letzten Tagen total vergessen, uns darum zu kümmern. Also müssen wir statt 20 Lari 100 Lari Strafe zahlen meint sie. Wir bekommen einen Zettel mit unserem Namen und Kennzeichen aber der Rest ist auf Georgisch. Wir wissen nicht so recht wohin damit, wo sollen wir zahlen? Also fahren wir einfach zur türkischen Grenze und hoffen, dass sich das irgendwie von selbst regelt.

Wir müssen bei der Einreise ein bisschen warten, ansonsten geht die Abfertigung ziemlich schnell. Wir sind zum zweiten Mal auf dieser Reise in der Türkei. Ursprünglich wollte wir nochmal die Schwarzmeerküste entlang fahren, weil uns die Strecke beim Hinweg zu gut gefallen hat. Allerdings ist die Wettervorhersage für die Küste in den nächsten Tage eine Katastrophe, so dass wir kurz nach der Grenze ins Landesinnere abbiegen. Die D010 und später D950 führen uns auf bestem Asphalt durch eine fantastische Berglandschaft, vorbei an tiefblauen Stauseen. „Berge und See“ bilden für mich schon immer das schönste Panorama. Glücklicherweise hat es auch aufgehört zu regnen, es ist zwar recht kühl aber mein Kamelnierengurt wärmt hervorragend.

In Erzurum, der größten Stadt Ostanatoliens mit über 700.000 Einwohnern, suchen wir uns eine Unterkunft. Ein älterer Mann treibt seine Herde Ziegen an uns vorbei durch die Straße. Mitten über den Gehweg. Die Ladenbesitzer kennen das Spektakel, jeder hat einen langen Stock, mit dem er die Ziegen vom Ladeneingang fernhält. Ich stelle mir die gleiche Szene in München vor. Undenkbar. Was würden sich die Münchner aufregen, es würde Anzeigen hageln für den Mann. Aber hier ist das ganz normal.

Wir finden ein kleines, familiengeführtes Hotel am Eck. Keiner hier spricht Englisch, der Sohn versteht „Doubleroom“ und schreibt den Preis auf einen Zettel. 120 Lira, also 16€, inklusive Frühstück – und WiFi haben sie auch. Wir lieben Ostanatolien nicht nur wegen der Berge und schönen Straßen, es ist so wunderbar ursprünglich.

Keiner spricht Englisch, die Hotels sind klein und einfach, die Menschen wunderbar herzlich und hilfsbereit und das Essen super lecker. Das Hotelrestaurant würde bei uns höchstens als bessere Dönerbude durchgehen. Typisch für die Türkei, sind alle Speisen bereits fertig gekocht und wie in einer Kantine hinter Glas aufgereiht. Der Koch empfiehlt uns die Suppe, ich esse außerdem noch eine Art Eintopf und Roland Fleischspieß. Unermüdlich füllen sie Cay nach, sobald wir unser Glas ausgetrunken haben. Da wir beide relativ müde sind, gehen wir nach dem Essen direkt ins Bett und verzichten auf einen Spaziergang durch die Stadt.

Summit to Sea: Nach Batumi

Nach dem Frühstück laufen wir nochmal durch den kleinen Ort Ushguli. Micha und Christian sind bereits fertig aufgepackt und verabschieden sich.

Das Wetter ist herrlich, die Sonne scheint und man hat einen fantastischen Blick auf die hohen, weißen Berge. Bei vielen Pensionen stehen Pferde und die Guides warten auf Touristen, die einen Ausflug hoch zu Ross machen möchten. Weder in Kirgisitan noch hier schaffe ich es, Roland zu einem Austritt zu überreden. 1 PS ist ihm dann doch zu wenig.

Heute geht’s nach Batumi. Roland möchte unbedingt dorthin, mich zieht es nicht in das „Las Vegas am Kaspischen Meer“ wie es oft genannt wird. Aber da es quasi auf dem Weg in die Türkei liegt, sage ich ja.

Bis kurz vor Mestia ist die Straße genauso matschig wie gestern, allerdings weniger steinig. Danach geht es auf Asphalt weiter, denn die Straße Richtung Ushguli wird aktuell neu gebaut. Bis zu sechs Monate im Jahr versinkt ihre Stadt im Schnee, weshalb die Straße in die etwa 40 Kilometer entfernte Regionshauptstadt Mestia häufig gesperrt ist. Da macht Asphalt natürlich Sinn.

Wir erreichen Batumi bei Sonnenuntergang und checken im Surf Hostel im Zentrum ein. Zuerst möchten sie für ein Doppelzimmer 90 Lari (30€) von Roland, ich hab sie dann mit meiner charmanten Art überredet, 60 Lari (20€) wie bei Booking aufgeführt, zu verlangen. Die Bikes können wir sicher aber umständlich im Innenhof parken. Roland manövriert dazu erst Zicki dann seine nineT durch die parkenden Autos und schließlich die schmale Tür. Mit einem beherzten Schubser passt Zicki gerade so durch. Wiedermal bin ich froh um meine Softbags, mit Koffern hätte das nicht geklappt.

Wir ziehen uns um und laufen durch Batumi zum Pier. Es sind einige Menschen unterwegs, Jugendliche skaten, Kinder fahren auf ihren Rädern über die Promenade. Überall blinken Leuchtreklamen und hier und da hört man laute Musik. Ja, es ist ein unglaublich touristischer Ort, aber weit entfernt von Las Vegas.

Das Bergdorf Ushguli

Auf Ushguli freue ich mich besonders, da ich endlich mal wieder offroad fahren möchte. Ushguli liegt auf über 2.000 m und der Weg dorthin ist ein herrlicher Track, der uns durch kleine ursprüngliche Dörfer und viel Wald hoch in die Berge führt, inklusive Blick auf einen Gletscher.

Wie in der Wetter-App vorhergesagt, hat es hier die letzten zwei Tage geregnet und daher ist der Track vor allem eines: matschig und übersäht mit zum Teil tiefen Wasserlöchern. Ausweichen oft unmöglich. Unsere Bikes sind nach kürzester Zeit total eingesaut. Roland hat ja mittlerweile den abgefahrenen Heidenau K60 gegen einen Rennslick getauscht und steht daher nicht nur 1x quer auf der Fahrbahn. Auf einem besonders steilen und steinigen Stück lege ich Zicki kurz ab, aber was wäre ein ordentlicher Offroad-Ride ohne Sturz. Es ist herrlich. Ich genieße es so sehr, den Matsch, den schwierigen Track und die Aussicht auf die Berge um uns herum.

Wir erreichen das kleine Bergdorf Ushguli kurz vor der Dämmerung, tiefe Wolken hängen in den schneebedeckten Bergen. Auf der Suche nach einem Zimmer fahren wir blöderweise durch den Ort. Die Straße ist in einem schlimmeren Zustand als alles, was wir heute gefahren sind. Entnervt zurück auf der „Hauptstraße“ (auch kein Asphalt!) dulde ich keine weiteren Umweg mehr und wir checken in der ersten Pension ein. Dort treffen wir zwei andere Motorradfahrer, Micha und Christian, aus Hannover. Sie haben sich in Georgien zwei KTM ausgeliehen und machen hier zwei Wochen Urlaub. Wir essen gemeinsam zu Abend, trinken viel zu viel Chacha und erzählen uns die wildesten Motorradabenteuer. Es ist nach 1 Uhr, als Roland und ich ins Bett kriechen.