Einreise nach Kirgisistan

Heute ist unser letzter Fahrtag in Tadjikistan. Insgesamt acht Tage waren wir auf dem Pamir Highway unterwegs, davon mehrheitlich abseits geteerter Straßen durch fantastische Landschaft, sind Berge rauf und wieder runter gefahren und haben unglaublich nette Menschen getroffen. Leider hat ein Vorfall unser Abenteuer überschattet: Der Anschlag auf die Radfahrer südlich von Dushanbe. Wir haben erst heute davon erfahren und sind erschüttert über die Brutalität.

Wir verabschieden uns von Abd und seiner Familie und fahren Richtung kirgisischer Grenze. Der Grenzübergang Kyzyl-Art ist mit 4.250m der zweithöchste der Welt (der höchste liegt auf dem Karakoram Highway zwischen China und Pakistan) und da wir für Kirgisistan kein Visum benötigen, sollte die Einreise zügig funktionieren. Denkst du!

Von Karakul aus ist es nicht weit bis zur Grenze. Die Sonne scheint aber es ist kalt. 5°C hat es, als wie oben ankommen. Ich schnappe mir Rolands Pass und gehe zuerst links ins Gebäude. Passkontrolle Ausreise Tadjikistan. Ein Blick reicht dem Beamten, dann meint er: Ok, Goodbye. Jihaaa das war einfach. Auf der gegenüber liegenden Seite ist die Zollkontrolle. Ich will gerade zum Fenster, da kommt ein großer, dunkler Mann in Tarnanzug auf mich zu: „What do you want?“ Ich: „Custom Control.“ Er nicht ganz so nett: „You wait, 4 cars first. They wait 1 hour!“ 4 Autos! Das heißt nicht etwa 4x 5 Personen sondern mindestens 8 oder sogar 9 Personen pro Auto – auf der Rücksitzbank sitzen gern 4 Erwachsene mit 3 Kindern auf dem Schoß. Das dauert. Ich geb Roland Bescheid und lege mich ins Gras. Dann schlaf ich halt ein bisschen.

Nach über einer Stunde sind wir endlich dran. Ich gehe mit unseren Pässen in das Zimmer. Oder doch nicht. Ich soll meine Stiefel ausziehen, meint der Beamte. Ich schaue runter vor die Tür und da stehen tatsächlich 3 Paar Schuhe. Daher der muffige Geruch. Die beiden Beamten tragen keine und ein andere Reisender auch nicht. Der Raum ist super unordentlich und alles andere als sauber – gesaugt wurde hier vermutlich noch nie! Es steht ein Kohleofen im Eck und schmutziges Geschirr im Regal. Ich ziehe meine Stiefel nicht aus. Lieber bleibe ich draußen stehen und reiche unsere Pässe zu dem Beamten rüber. Er akzeptiert es und trägt unsere Daten in ein Buch ein.

Als Vincent fertig ist, fahren wir durch die Schranke zur nächsten Kontrolle. Wir müssen hier zum Glück nur kurz warten, dann werden die Daten aus unseren Pässen wieder in ein großes Buch eingetragen.

Ab jetzt befinden wir uns für die nächsten 20 km im Niemandsland zwischen Tadjikistan und Kirgisistan. Landschaftlich wunderschön – wir durchqueren die Berge mit Blick auf noch viel höhere Berge mit schneebedeckten Gipfeln, die mindestens 6.000m hoch sind. Die Passtraße allerdings ist eine Katastrophe. Eigentlich ein eibziges, riesiges Schlagloch mit ein bisschen Asphalt dazwischen. Ungenießbar.

Außerdem ist es immer noch kalt, Roland meint sogar ein paar winzige Schneeflocken gesehen zu haben. Ich hab die Griffheizung auf höchster Stufe und von mir aus dürfte sie ruhig noch heißer sein. In diversen Foren liest man immer wieder, dass sich BMW Fahrer über die Griffheizung aufregen. Stufe 1 sei zu kalt und bei Stufe 2 verbrenne man fast. Leute, ihr seid noch nie bei Schneeregen nach Kirgisistan eingereist. Da kann eine Griffheizung gar nicht heiß genug sein.

Als wir die kirgisische Grenze erreichen, sehe ich die vier Jeeps wieder. Sie stehen bei der Fahrzeugregistrierung. Wir müssen zuerst zur Passkontrolle, die in 5 Minuten erledigt ist. Der Beamte trägt zur Abwechslung Silber statt Gold im Mund. Auch schön.

Die Fahrzeugregistrieung und gleichzeitig Zollkontrolle ist mein persönliches Highlight und gern gebe ich eine Live-Parodie des Beamten, wenn ich wieder daheim bin.

Hier nur dir Kurzzusammenfassung: Leider komme ich hier nicht darum, die Schuhe auszuziehen. Tür und Schreibtisch des Zollbeamten sind zu weit von einander entfernt. Ein Mann Ende 20 sitzt hinter einem Computer. Als ich ihm die beiden Pässe gebe, fragt er mich, warum mein „Husband“ nicht auch rein kommt. Also hole ich Roland. Wir nehmen ihm gegenüber Platz. Dann stellt er uns die üblichen Fragen, woher wir kommen, wo hin wir fahren wollen, ob wir Waffen dabei haben etc. Wir beantworten alle Fragen und als wir erzählen, dass wir mit zwei Bikes einreisen, meint er, wir müssen eine Ökosteuer zahlen. 500$ pro Fahrzeug. Ich will gerade losschimpfen, da zeigt er auf das Schild hinter mir auf dem steht: 500 Som pro Motorrad. Ich schau ihn an, der Scherzkeks grinst. Wir spielen mit und lachen auch. Wir können in Dollar (20$) zahlen, er wechselt zu einem etwas schlechteren Kurs aber wir haben keine Wahl.

Dann fragt er uns mit ernster Miene, ob wir gern Bier trinken (wir sind ja aus Deutschland) und als Roland Logo! sagt, fragt er, ob wir heute morgen auch Bier getrunken haben. Oder vielleicht Vodka. „Are you good Tourist?“ „Yes, we are. Of course we did not drink!“ Da lacht er Und notiert sich etwas.

Seine Miene versteinert wieder, er guckt uns an. Er will wissen, ob wir Souvenirs dabei haben. Einen toten Steinbock z.B. Klar, der sitzt bei mir hinten drauf, denke ich. Ist so schön kuschelig warm. Wir verneinen.

Zuletzt will er wissen, wie lange wir in Kirgisitian bleiben. Ich antworte: „Two weeks.“ Ok, I write 1 year for you ok and husband 1 month höhöhöhöhö lacht er. Wir lachen gequält mit.

Fast eine Stunde waren Roland, Vincent und ich mit dem Zollbeamten beschäftigt. Es ist inzwischen nach 16 Uhr und wir wollen es heute noch bis ins 240 km entfernte Osh schaffen, wir müssen uns beeilen. Also rauf aufs Motorrad!

Kirgististan empfängt uns mit grünen Wiesen und Hängen, weißen Jurten, Pferden in allen Farben und den fettesten Murmeltieren, die ich je gesehen habe. Was für ein Klischee aber es wirkt. Mein Herz hüpft, ein neues Land, ein neues Abenteuer.

Eigentlich wollen wie über Sary-Mogul fahren und einen Blick auf den 7.000er Mount Lenin werfen. Allerdings ist das Wetter zu schlecht und die Zeit drängt.
Wir fahren stattdessen nach Sary-Tash und können an der Tankstelle nicht nur tanken sondern auch gleich Geld zum aktuellen Bankenkurs wechseln. 1 Dollar sind 68 Som, bzw. 1 Euro 78 Som. 1l Benzin 92 Oktan kostet 43 Som.

Ab jetzt bis Osh regnet es immer wieder und die letzte halbe Stunde vor Osh kommen auch noch Sturm und Gewitter dazu. Der halbe Wald fliegt durch die Luft und an mein Visier, es blitzt und donnert und ich fahre in Schräglage, um geradeaus zu fahren. Es ist anstrengend und nervig. Und bereits dunkel. Um 22 Uhr erreichen wir endlich Zukhovs Guesthouse. Wir parken unsere Bikes im Innenhof. Stas und seine Frau sind super nett, zeigen uns die Zimmer und bevor wir alles verräumen, bestellen wir noch schnell Pizza. Ja genau Pizza. Heute Morgen noch Yak-Milchbrei und 12 Stunden später Pizza Quattro Stagioni. Sowas von skurril aber auch verdient.