Über Tash Rabat zum Songköl See

Heute Morgen gibt’s nur Kaffee. Wir hatten gestern keine Gelegenheit mehr Brot einzukaufen. Bleibt mehr Zeit für die Reparatur. Roland montiert den rechten Spiegelfuß auf die demolierte linke Seite und der linke Protektor wird rechts mit Draht befestigt. Sobald wir wieder in einer größeren Stadt mit Basar sind, will Roland den Tankrucksack nähen lassen. Für die nächsten Tage muss Klebeband ausreichen.

Wir setzen unseren Weg auf der Arschbrettstraße (sorry Mama für den Ausdruck) fort. Das kann einem ganz schön die Stimmung verhageln, vor allem wenn man nichts zum Frühstück hatte. In dem nächstgrößeren Ort Baetov halten wir daher an einem  kleinen Laden an und kaufen Brot, Käse, Trinkjoghurt und Kekse. Während wir frühstücken, checkt Roland den Luftdruck von seinem Hinterreifen, irgendwie fährt sein Bike komisch meint er. Und tatsächlich, der Reifen verliert ordentlich Luft. Da ich keine Zeit verlieren möchte, frage ich die Taxifahrer am Eck, ob man hier einen Reifen reparieren kann. Wie? Ich zeige auf den Reifen, mache ein Pffffft Geräusch und sage „Reparatur“. Sie verstehen was ich meine. Sofort stehen fünf, sechs Mann um Rolands Bike, tasten den Reifen ab und reden wild durcheinander. Dann meinen sie, dass es eine „Reparatur“ hier im Ort gibt, aber der Typ ist zu Mittag (Arme bilden zuerst ein X, dann wird symbolisch Essen in den Mund geschoben. Das Zeichen kennen wir schon, gibt es als Variante auch mit „Beten“  statt „Essen“). Wir besprechen uns mit Vincent, er kann gern vorfahren nach Tash Rabat und wir treffen uns dann auf dem Rückweg zum Song-Kul See. Er verneint, er bleibt lieber bei uns und wir fahren später zusammen, wenn der Reifen repariert ist. Vincent hat wirklich eine Engelsgeduld. Davon könnte ich mir eine Scheibe abschneiden.

Die Männer sind zurück und kippen Wasser über den Reifen und suchen nach dem Loch. Roland weiß gar nicht wie ihm geschieht und es tut mir fast ein bisschen leid, dass ich mich eingemischt habe und jetzt Wildfremde an seinem Bike rumdoktern. Aber er lässt es über sich ergehen und rollt das Bike vor und zurück, damit die Männer den gesamten Reifen abtasten können. Als sie wieder Wasser holen, wage ich mich auch mal ran. Ich halte mein Ohr an den Reifen und höre sofort das Geräusch von entweichender Luft. Ein Stück vor sage ich und finde das Loch mit dem Stein drin. Freude ist vielleicht das falsche Wort in diesem Zusammenhang aber irgendwie „freut“ es mich, dass ich das Loch entdeckt habe. Ich packe unser Reparatur-Set aus. Einer der Männer nimmt es sofort an sich, drückt die Kautschuk-Wurst mit dem Werkzeug in das Loch und verklebt es. Zack erledigt. Roland füllt mit dem Airman Luft nach. Der Reifen hält. Wir können weiterfahren, was für ein Glück!

Unser erstes Ziel ist heute Tash Rabat, die Karawanserei aus dem 15. Jahrhundert. Die Route, die Vincent ausgewählt hat, ist fantastisch. Wir fahren wieder abseits der geteerten Straßen und außer ein paar wenigen Jeeps und zwei Bikern aus Italien treffen wir auf keine Menschen. Das Wetter ist perfekt, nicht zu heiß aber schön sonnig. Die Wasserdurchfahrten, die auf dem Track liegen sind easy machbar – ich möchte mir nicht vorstellen, wie die Flüsse hier aussehen, wenn es mal ein paar Tage geregnet hat.

Der Pass, den wir überqueren liegt wieder auf über 3.000m. Kurz danach erreichen wir Tash Rabat. Oha. Was für ein Menschenauflauf. Ziemlich ungewöhnlich. Ein Reisebus steht auf dem Parkplatz. Eine Gruppe koreanischer Touristen hat sich die Karawanserei angesehen und steht jetzt am einzigen Souvenierstand. Wir unterhalten uns kurz mit einem Koreaner, bevor der Reisebus wieder abfährt. Jetzt sind wir wieder alleine hier. So mag ich das. Vincent und ich sehen uns die historische Stätte an, Roland möchte nicht. Tash Rabat unterscheidet sich in zwei wesentlichen Punkten von allen anderen Karawansereien, die ich bisher gesehen habe: Sie ist erstens nicht aus Lehm sondern Stein und ist zweitens deswegen unglaublich gut erhalten.

Lange halten wir uns allerdings nicht dort auf, wir haben noch knapp 250 km vor uns und ja, wen wundert’s, uns läuft mal wieder die Zeit davon. Die Reifenreparatur hat uns über eine Stunde gekostet. Es ist 18 Uhr, als wir in Tash Rabat wieder Richtung Norden aufbrechen. Zwar auf Asphalt, aber trotzdem brauchen wir über zwei Stunden, bis wir nach Naryn zur Abzweigung gelangen, die uns wieder in die Berge und auf einen Offroad Track Richtung Songköl, zum zweitgrößten Bergsee Kirgisistans, bringt. Der Track wäre ein Traum, wenn ich was sehen würde. Es ist finstere Nacht, als wir die 33 Haarnadelkurven und den über 3.500m hohen Pass erklimmen. Die Straße ist eng und steinig, ich muss mich höllisch konzentrieren, nicht auf einen Felsen oder noch schlimmer den Abhang runter zu fahren. Ich schwitze und fluche und bereite Roland darauf vor, dass ich heute NICHT mehr kochen werde. Hunger hin und her.

Noch später als gestern erreichen wir unser Ziel. Der Songköl liegt auf 3.000 m. Es hat 4,5°C. Zum Glück habe ich mir vor der Reise einen warmen Daunenschlafsack und eine isolierende Daunen-Isomatte gekauft. Wir bauen unsere Zelte auf, ich putze Zähne und lege mich sofort in meinen warmen Schlafsack. Vincent und Roland kochen sich noch eine Suppe und trinken ein wohlverdientes Arpa (kirgisische Biersorte). Ich schlafe bereits tief und fest, als Roland später ins Zelt krabbelt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert