Ballons und Christentum

Heute ist es also soweit – wir werden das erste Mal mit einem Heißluftballon fahren. Wir sind bereits vor dem Wake-up Call vom Hotel um 4.30 Uhr wach. Roland putzt hektisch Zähne, zieht sich an, sucht seine Sachen zusammen und steht um 4.50 Uhr an der Tür. Ich soll mich beeilen, wir kommen zu spät! Roland, es sind 30 Schritte zur Rezeption, Treffpunkt ist um 5 Uhr. Ich hab noch 10 Minuten. Er geht schonmal vor. Früh aufstehen und pünktlich sein ist nur eine Frage der Motivation.

Um 5 Uhr werden wir mit einem Bus abgeholt und zum Office des Veranstalters gefahren. Dort gibt es ein kleines Frühstück und eine kurze Einweisung. Die Abfahrt zum Startplatz der Ballons verzögert sich etwas aufgrund der Windverhältnisse. Kurz vor 6 geht es dann endlich los und nach einer 5-minütigen Autofahrt stehen wir am Startplatz. In unserem Korb ist Platz für insgesamt 20 Leute, die auf die 4 „Abteile“ aufgeteilt werden. Ich stehe direkt beim Captain Ismail, der in der Mitte des Korbs die Befüllung des Ballons koordiniert. Es macht ein lautes Geräusch, sobald die Propangas-Brenner angehen und es wird etwas warm über meinem Kopf. Vier Brenner sind es, die er abwechselnd bedient. Der Ballon bläst sich immer weiter auf. Männer wuseln neben uns herum, hängen Leinen ab, reden laut mit dem Captain. Um uns herum das gleiche Bild, überall Ballons, die befüllt werden oder gerade aufsteigen. Dann geht’s auch bei uns los! Wir heben ab. Noch ist die Sonne nicht aufgegangen, aber es wird bereits hell am Horizont. Wir steigen weiter auf, fahren langsam über den Startplatz in Richtung Felsen und über die ersten Höhlen und zwischen die Feenkamine. Wir sind ein paar hundert Meter über dem Boden als die Sonne hinter den Felsen erscheint. Es ist gigantisch. Das Farbenspiel am Himmel, dazu der Blick auf die vielen Ballons vor der einzigartigen Felsenkulisse. Und natürlich die Tatsache, dass wir selbst in einem Ballon stehen und hoch über dem Boden schweben.

Ismail steuert den Ballon mittels des Propangases, er kann hoch und runter steigen, in welche Richtung wir fahren, entscheidet der Wind. 600m war unsere höchste Flughöhe, die niedrigste nur ein paar Meter, als wir durch einen Canyon fahren und der Korb Bäume streift. Es ist ein wunderbares Erlebnis und ich kann es jedem empfehlen, der noch nie eine Ballonfahrt gemacht hat.

Nach der Ballonfahrt, die eine Stunde gedauert hat, fahren wir zu einem Farmers Breakfast, das ebenfalls von unserem Hotel angeboten wird. Mit einem Jeep geht es in die Felsen zu einer Farm, auf der lauter Selbstgemachtes angeboten wird: Brot, Butter, Marmelade, Käse, Gemüse, Wein (Es war bereits nach 9 Uhr, da kann man schonmal ein Gläschen trinken). Es wachsen Auberginen, Paprika, Tomaten und Erdbeern im Sandboden, gedüngt wird mit Taubenmist, den man wie vor Tausenden von Jahren aus den alten Höhlen gewinnt, in denen die Tauben nisten. Auf der Farm laufen Hühner, Enten, Ziegen umher und es gibt natürlich Kühe. Sie vermieten auch Zimmer. Es ist ein wunderbarer Rückzugsort, wenn einem der Touristenwahnsinn in Göreme zu viel wird. Zurück im Hotel beladen wir wieder unsere Bikes und ziehen weiter.

Vom Saulus zum Paulus

Die Mittelmeerküste ist für heute unser Ziel aber zuerst halten wir in Tarsus, einer sehr alten Stadt aus dem 4. Jahrtausend vor Christus, die kurz vor der Küste liegt. Es ist ebenfalls ein Tipp von unserem Freund Helmut. Tarsus ist die Geburtsstadt des Heiligen Paulus. Wir besichtigen eine Kirche, die ihm zu Ehren erbaut wurde und außerdem den Platz, wo angeblich sein Geburtshaus stand.

Ich glaube an Gott, bin aber nicht besonders religiös. Daher muss ich erstmal recherchieren, was an dem Heiligen Paulus so besonders ist. Ich kenne natürlich das Sprichwort „vom Saulus zum Paulus werden“ und was es bedeutet, aber nicht die Geschichte dahinter. Saulus wurde 10 v. Chr. in Tarsus geboren. Zuerst verfolgte er die Christen mit aller Härte, wurde aber bekehrt und hat sich daraufhin selbst zum „Apostel Paulus“ ernannt. Seine umfangreiche Missionarstätigkeit machte ihn zu einer der bedeutendsten Figuren im Christentum und seine Schriften waren die wichtigste Grundlage für das Neue Testament. Einige Historiker halten ihn daher für den eigentlichen Gründer des Christentums als eigenständige Religion. Kirchen auf der ganzen Welt von Neuseeland bis Albanien sind nach ihm benannt und es gibt mehrere Gedenktage im Jahr. Wow, ein ziemlich bedeutender Mann also. Warum sind dann außer Roland und mir keine weiteren Touristen hier? Es müsste doch vor Pilgern nur so wimmeln? Liegt es an der aktuellen Politik? Der Jahreszeit? Die Sicherheitsbeamten können mir die Frage leider nicht beantworten, denn sie sprechen kein Wort Englisch und ich nicht Türkisch. Schade.

Es gibt noch einige weitere antike Sehenswürdigkeiten in Tarsus, wir werfen aus Zeitgründen nur noch einen Blick auf die über 2.000 Jahre alte römische Straße. Bei Ausgrabungen in den 90ern wurden neben der Straße auch Fundamente von Geschäfts- und Wohnhäuser entdeckt. Es ist anzunehmen, dass sich unter Tarsus eine komplette, alte römische Stadt befindet. Warum nicht weiter ausgegraben wird, weiß ich nicht. Ich schätze, es fehlt das Geld dafür.

Wir setzen die Reise fort und fahren an der Küste bis es dunkel wird und landen in einem kleinen Ort vor Kizkaleki. Das Hotel, das Roland ausgesucht hat, hat genau noch ein Zimmer frei, mit Blick aufs Meer. So ein Ärger, das müssen wir dann wohl nehmen. Hehe.

99 Ballons über Göreme

Tatsächlich schaffen wir es, vor Sonnenaufgang aufzustehen, um die vielen Heißluftballon am Himmel zu beobachten. Der Startplatz ist etwas außerhalb der Stadt in der Nähe der Felsen. Zuerst sieht man im Dunklen das helle Feuer, wie es den Ballon von innen beleuchtet, während er immer weiter aufgeblasen wird. Nach und nach steigen die bunten Ballons in der Ferne auf, bis der Himmel voll von ihnen ist und lassen sich vom Wind treiben. Einer fliegt so dicht über unserer Hotelterrasse vorbei, dass ich die Leute im Korb zählen kann. Es ist einmalig, die vielen Ballons vor der Felsenkulisse zu beobachten. Fast noch unterhaltsamer sind aber die Asiatinnen, die auf der Terrasse gegenüber Fotos von sich machen. Sie haben sich herausgeputzt wie für den Wiener Opernball, tragen wundervolle Kleider und riesen Hüte und werfen sich vor dem Fotografen oder sich selbst (für ein sogenanntes Selfie) in die unterschiedlichsten Posen. Eine gute Stunde beobachten wir die Ballons und beim anschließenden Frühstück beschließen wir,  eine Fahrt zu buchen. Obwohl uns 130€/Person eigentlich zu teuer sind – aber für uns beide wird es die erste Ballonfahrt überhaupt sein. Das ist doch ein Argument.

Den restlichen Tag verbringen wir am Pool und wenn wir schonmal in der Türkei sind und Geld ausgeben, buche ich auch ein Hamampaket für mich. Wir haben eine gemeinsame Reisekasse und schreiben nichts im Detail auf, sondern teilen einfach alles durch 2. Beim Tanken (und eigentlich auch Essen) bin ich leicht im Nachteil meint Roland, weil seine nineT mehr verbraucht als meine Zicki und er immer zwischen 3 und 5 Liter mehr tankt als ich. Da ist die Hamam-Anwendung als Ausgleich drin sagt Roland! Oh ich liebe meine sparsame Zicki.

Nach dem Hamam fühle ich mich so sauber wie schon lange nicht mehr. Seit drei Monaten lebe ich aus meinen Satteltaschen und tragen seitdem die gleichen Klamotten, wechseln auch gern ein paar Tage hintereinander das Shirt und die Socken nicht. Merinowolle sei Dank klappt das auch ohne zu Müffeln. Meistens zumindest. Das Hamam war also nicht nur was kosmetisches, sondern durchaus auch hygienischer Natur.

Zum Sonnenuntergang laufen wir auf einen der Felsen und lassen unsere Ballon-Souvenirs steigen. Da wir morgen um 4.30 Uhr aufsteheb müssen, gehen wir reaktiv früh ins Bett. Ich bin schon total gespannt auf die Ballonfahrt!

Weiterfahrt nach Göreme

Beim genaueren Betrachten der Bilder wird dem ein oder anderen aufgefallen sein, dass Roland mittlerweile Bart-Wildwuchs hat. Er geht deswegen nach dem Frühstück zum „Kuaför Elif“, der ihm nicht nur den Bart stutzt sondern auch Nasen- und Ohrenhaare. Ja, so macht man das hier in der Türkei. Ein halbes Kilo leichter und nur 1,40€ ärmer verlässt Roland den Laden wieder.

Die heutige Etappe ist lang, 698 km fahren wir bis Göreme. Die Straße ist quasi eine Autobahn, zweispurig, mit wenig Verkehr und ein paar schönen, langgezogenen Kurven. Wir sind wie immer spät gestartet, kommen aber schnell voran. Göreme liegt in Kappadokien ist bekannt zwei Dinge: Die Feenkamine und Ballonfahrten. Vor vielen Millionen von Jahren haben Vulkanausbrüche die Gegend mit Asche bedeckt, daraus bildete sich Tuffstein, der über die Jahre durch Wind und Wasser so abgetragen wurde, dass diese lustig aussehenden Feenkamine entstanden sind. Ab dem 4. Jahrhundert haben Christen in die weichen, bis zu 30m hohen Tuffstein-Kamine Kirchen und Wohnungen gebaut und dort gelebt. Die Ballonfahrten gibt es allerdings erst seit 1995, also noch nicht ganz so lang.

Göreme hat uns Helmut, ein langjähriger Freund meiner Familie empfohlen, der ein paar Jahre in der Türkei gelebt hat. Und er hatte mir auch gleich ein Hotel genannt, in dem wir tatsächlich spontan ein Zimmer bekommen. Das Kelebek Hotel ist ein Traum. Es ist terrassenförmig in den Felsen gebaut und in einigen der alten Höhlenwohnungen wurden Zimmer eingerichtet mit alten Fresken aus dem 12. Jahrhundert an Wänden und Decken. Es hat mehrere Terrassen, u.a. vor unserem Zimmer, einen Pool und ein Hamam. Gestern schreibe ich noch, dass mir das ursprüngliche Ostanatolien so gut gefällt und jetzt schwärme ich von einem der größten Touristenorte in der Türkei. Mei, ich bin halt flexibel, kann mich an die jeweiligen Umstände bestens anpassen.

Nach dem Einchecken gibt uns Yusuf vom Hotel noch den Tipp, morgen um 5.45 Uhr auf die Frühstücksterrasse zu kommen und den Flug der Heißluftballons anzusehen, die bei Sonnenaufgang über die Stadt fliegen – mittlerweile sind es über 100 an manchen Tagen.

Einreise Türkei und die Berge Ostanatoliens

Es regnet in Strömen als wir unsere Bikes herrichten und aufpacken. Mein Schutzblech ist ausgerissen und wird mit Draht befestigt, die Kette wird vom Dreck der georgischen Berge befreit und geschmiert und ich möchte die Birne vom Abblendlicht tauchschen, die mal wieder durchgebrannt ist. Dabei sehe ich, dass der ganze Stecker hinüber ist. Alles komplett verkokelt. Roland richtet es fachmännisch mit seinem Multitool und Klebeband und meint, ich soll es halt beobachten und den Schlüssel schnell abziehen, falls es aus dem Cockpit raucht. Alles klar.

Die Grenze ist knapp 20 km entfernt. Bei der Ausreise will die Dame unsere georgische Versicherung sehen. Verdammt. Haben wir nicht abgeschlossen. Ehrlich gesagt, haben wir es in den letzten Tagen total vergessen, uns darum zu kümmern. Also müssen wir statt 20 Lari 100 Lari Strafe zahlen meint sie. Wir bekommen einen Zettel mit unserem Namen und Kennzeichen aber der Rest ist auf Georgisch. Wir wissen nicht so recht wohin damit, wo sollen wir zahlen? Also fahren wir einfach zur türkischen Grenze und hoffen, dass sich das irgendwie von selbst regelt.

Wir müssen bei der Einreise ein bisschen warten, ansonsten geht die Abfertigung ziemlich schnell. Wir sind zum zweiten Mal auf dieser Reise in der Türkei. Ursprünglich wollte wir nochmal die Schwarzmeerküste entlang fahren, weil uns die Strecke beim Hinweg zu gut gefallen hat. Allerdings ist die Wettervorhersage für die Küste in den nächsten Tage eine Katastrophe, so dass wir kurz nach der Grenze ins Landesinnere abbiegen. Die D010 und später D950 führen uns auf bestem Asphalt durch eine fantastische Berglandschaft, vorbei an tiefblauen Stauseen. „Berge und See“ bilden für mich schon immer das schönste Panorama. Glücklicherweise hat es auch aufgehört zu regnen, es ist zwar recht kühl aber mein Kamelnierengurt wärmt hervorragend.

In Erzurum, der größten Stadt Ostanatoliens mit über 700.000 Einwohnern, suchen wir uns eine Unterkunft. Ein älterer Mann treibt seine Herde Ziegen an uns vorbei durch die Straße. Mitten über den Gehweg. Die Ladenbesitzer kennen das Spektakel, jeder hat einen langen Stock, mit dem er die Ziegen vom Ladeneingang fernhält. Ich stelle mir die gleiche Szene in München vor. Undenkbar. Was würden sich die Münchner aufregen, es würde Anzeigen hageln für den Mann. Aber hier ist das ganz normal.

Wir finden ein kleines, familiengeführtes Hotel am Eck. Keiner hier spricht Englisch, der Sohn versteht „Doubleroom“ und schreibt den Preis auf einen Zettel. 120 Lira, also 16€, inklusive Frühstück – und WiFi haben sie auch. Wir lieben Ostanatolien nicht nur wegen der Berge und schönen Straßen, es ist so wunderbar ursprünglich.

Keiner spricht Englisch, die Hotels sind klein und einfach, die Menschen wunderbar herzlich und hilfsbereit und das Essen super lecker. Das Hotelrestaurant würde bei uns höchstens als bessere Dönerbude durchgehen. Typisch für die Türkei, sind alle Speisen bereits fertig gekocht und wie in einer Kantine hinter Glas aufgereiht. Der Koch empfiehlt uns die Suppe, ich esse außerdem noch eine Art Eintopf und Roland Fleischspieß. Unermüdlich füllen sie Cay nach, sobald wir unser Glas ausgetrunken haben. Da wir beide relativ müde sind, gehen wir nach dem Essen direkt ins Bett und verzichten auf einen Spaziergang durch die Stadt.