Greece Rally Tag 3: Marathon-Etappe

Wie die Überschrift vermuten lässt, steht heute die längste Etappe der Greece Rally an. Die Marathon-Etappe mit 300 km Sonderprüfung. Der Wecker klingelt um 5:45 Uhr. Es ist so dunkel draußen, dass ich Zweifel daran habe, dass es jemals wieder Tag werden wird. Ich bin absolut kein Morgenmensch. Aufstehen ist eine Qual für mich und weil ich wusste, dass bei der Rally auch zu unchristlichen Uhrzeiten gestartet wird, habe ich Zuhause extra „frühes Aufstehen“ trainiert. Statt auf 8 Uhr hatte ich meinen Wecker auf 6:30 Uhr gestellt und weil ich nicht wusste, was ich mit der freien Zeit anfangen sollte, war ich regelmäßig am Main joggen, um meine Kondition zu verbessern – uns habe damit zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Zum Glück irre ich mich, und es wird doch langsam hell, während ich meinen Klim-Rucksack packe und mich anziehe. Die Liaison (so nennt man den Hin- und Rückweg zur Sonderprüfung bzw. Wertungsetappe) beträgt heute knapp 80 km und verläuft fast ausschließlich auf Asphalt. Gestern beim Briefing hieß es, wir sollen ca. 1,5 Stunden dafür einplanen. Jörg, Timo, Wolfgang, Tobi und ich fahren gemeinsam um kurz nach 7 Uhr los. Die Jungs jammern ein bisschen über die lange Anreise. Mir macht es überhaupt nichts aus, denn ich bin es ja gewohnt, viele Stunden auf dem Bike zu sitzen und dank meiner gepolsterten Ortema-Protektorenhose ist es selbst auf der schmalen und harten Enduro-Sitzbank nicht unbequem. Da wir Richtung Osten fahren, werden wir zudem mit einem unglaublichen Sonnenaufgang belohnt. Im letzten Ort vor dem Start tanken wir und hoch motiviert und gut gelaunt erreiche ich den Start.

Das Wetter ist perfekt. Sonnig, aber nicht zu warm. Als ich bei Kilometer 24 das erste Mal kurz im Gebüsch verschwinde, sehe ich Rudi aus Österreich vorbei fahren. Ich ziehe mich hastig an, düse los und schaffe es tatsächlich, ihn einzuholen. Von da an fahren wir zusammen was sich relativ schnell als äußerst vorteilhaft für mich herausstellt.

Die Strecke macht unglaublich viel Spaß, da sie sehr abwechslungsreich ist und wir uns nach ein paar Kilometern Schotter-Highway tief im Wald auf einem schmalen und abenteurlichen Single-Trail befinden. Links der Berg, rechts ein Abhang. Immer wieder müssen wir durch matschige Senken fahren, die irgendwann so groß und tief und matschig sind, dass ich mich nur noch traue, im Standgas und mit einem Bein am Boden „durchzulaufen“. Bei der letzten Senke kippt das Bike nach links (also Richtung Berg) und Rudi hilft mir, sie wieder aufzustellen. Weiter geht’s.

Irgendwann verlassen wir den Wald und gelangen wieder auf eine breitere Schotterpiste, der wir für einige Kilometer folgen. Vor einer Kurve sehe ich das Bike des Fotografen. Matteo selbst steht an einem breiten Wasserloch. Ich gebe Gas, ersten weil ich Wasserdurchfahrten liebe und zweitens weil die Bilder immer spektakulär aussehen. Das Wasserloch ist so tief, dass ich mit der gesamten Front eintauche und meine Hände komplett unter Wasser sind. Damit habe ich nicht gerechnet und ich bleibe direkt nach dem Wasserloch stehen. Ich bin pitschnass und das Wasser riecht nicht gerade lecker aber ich lache und quieke vor Freude.

Bald müssen wir wieder in die Vegetation auf einen kaum erkennbaren Pfad zwischen Bäumen abbiegen und querfeldein weiterfahren. Wir haben bisher knapp die Hälfte der Etappe zurückgelegt und alles fühlt sich prima an. Bis auf einmal meine Beta mitten unterm Fahren ausgeht und erst nach mehreren Versuchen wieder anspringt. Oh oh. Mach jetzt nur keinen Blödsinn denke ich mir. Ich bedeute Rudi anzuhalten und erkläre ihm, was passiert ist. Rudi spult im Roadbook vor und meint, dass in 15 km eine Tankstelle kommt. Na das schafft die Beta hoffentlich, sage ich und fahre los. Dass diese 15 km die härtesten des ganzen Tages werden, damit habe ich nicht gerechnet – hätte ich mir aber eigentlich denken können, denn wir stehen immer noch hoch oben am Berg. Wenn es nur noch 15 km bis ins Tal sind, dann muss es bald sehr, sehr steil bergab gehen.

Wir sind immer noch querfeldein unterwegs und so langsam wird der Untergrund richtig steinig. Überall große Brocken, als wäre ein riesiger Berg explodiert und die Einzelteile liegen jetzt verstreut auf der Wiese. Zuerst klappt es noch, die kindskopfgroßen Steine zu umfahren. Irgendwann verschwindet die Wiese und es hat sich ein richtiger Steinteppich gebildet. Ausweichen unmöglich, ich muss da drüber. Vorsichtig im zweiten Gang.

Und dann geht’s bergab. Steil. Mit Spitzkehren. Ausschließlich über Steine. Ich fahre so gleichmäßig wie möglich, nutze die Kupplung, um meine Geschwindigkeit zu regulieren und schaue extra weit voraus, um mir einen geeigneten Weg über die „Rolling Stones“ – wie es im Roadbook steht – zu suchen. Und um nicht sehen zu müssen, über was für riesen Felsen ich drüber fahre.

In einer Spitzkehre kippt das Bike nach innen, eine andere Kehre ist so steil und eng, dass ich zuerst aus der Kurve rausfahre und dann das Bike rückwärts wende. Was für ein Elend.

Noch 5 km und kein Ende der Steinpiste in Sicht. Meine Kupplungshand schmerzt und ich will in der nächsten Kurve eine andere Technik versuchen, nämlich das Bike um die Kurve zu laufen. Blöde Idee. Ich steige ab, gehe einen Meter, da kommt mir die Kupplung aus und die Beta macht einen großen Satz nach vorn. Gott sei Dank geht sie aus und bleibt direkt vor dem Abgrund liegen. Das war knapp. Uiuiui, fast hätte ich mit meiner eigenen Blödheit auf die Schnelle 8.000 € vernichtet.

Wir heben das Bike auf und fahren weiter. Kurz bevor wir endlich das Tal erreichen, kommt uns ein Motorradfahrer entgegen. Es ist der Marshall Nikos, der nach uns gesucht hat. An der Tankstelle treffen wir auf das Orga-Team und während ich tanke erklärt Alex, dass genau wie gestern die Zeit nicht mehr ausreicht, dass wir die komplette Etappe zu Ende fahren. Er ist mit dem Bike da und würde uns auf eine Abkürzung führen, mit der wir ca. 50 km einsparen und später können wir wieder nach Roadbook fahren. Ich bin etwas enttäuscht, denn auch wenn ich eben völlig am Ende war, hat die kurze Pause mir wieder Energie gegeben. Und ich habe keine Lust auf Asphalt. Alex sagt, es muss sein.

Zu meiner Überraschung biegen wir auf der anderen Seite der Tankstelle auf einen Track ab und fahren die nächsten zwei Stunden eine wunderbare Offroadpiste. Alex gibt ordentlich Gas und bereits nach der zweiten Kurve ist er verschwunden. Ich sehe nur noch eine riesige Staubwolke und folge Alex so schnell es geht. Immer weiter geht’s bergauf, Mal ist der Track wieder heftig steinig, Mal jagen wir über Wiesen bis wir über den Berg sind und es auf der anderen Seite talabwärts geht. Ich hab so viel Spaß, eine schönere Abkürzung hätte ich mir nicht vorstellen können. Und als Alex dann auch noch – etwas überrascht – zugibt, dass ich ja gar keine schlechte Fahrerin bin, bin ich mehr als happy. So ein Kompliment von einem ehemaligen Enduro-Rennfahrer hört man doch gern. Zufrieden fahre ich um 15:30 durchs Ziel Und mache mich, nachdem meine Ankunftszeit auf der Zeitkarte vermerkt wurde, auf den langen Rückweg ins Camp.

Dort übergebe ich Luki das Bike zur Durchsicht, gebe meine Zeitkarte und das Roadbook ab und erhalte das Roadbook für den morgigen Tag. Es sind nur 105 km. Hoffentlich schaffe ich es, die morgige Etappe komplett durchzufahren.

 

Fotos: Matteo Longobardi, Alexandros Sougiannis

Tag 17: Der letzte Fahrtag in Kolumbien

Um 7:30 Uhr sitzen wir am Frühstückstisch, da wir gleich noch die Kolibris füttern wollen, bevor wir die letzten 250 km unserer Kolumbien-Tour fahren. Zum Füttern der Vögel gibt man uns kleine Dosen mit Blumenaufkleber und einem Loch in der Mitte für den Kolibri-Schnabel. In die Dosen füllen wir Zuckerwasser und es dauert tatsächlich nicht lange, bis die ersten Kolibris um uns herum schwirren. Die bunten Vögel setzen sich auf meine Hand, stecken ihren langen Schnabel in die Dose und mithilfe ihrer langen Zunge trinken sie gierig das Zuckerwasser, bevor sie wieder hektisch abschwirren. 40-50 Flügelschläge pro Sekunde schafft so ein Kolibri. Es ist beeindruckend und wunderschön –  auch wenn die Tiere vermutlich in einer Woche Diabetes haben, so dick sind mache von ihnen.

Wehmütig belade ich ein letztes Mal die 790 und bereite mich mental auf unsere letzten 250 Kilometer vor. Die ersten 50 km sind ein Traum. Offroad, kurvig, durch dichten Dschungel. Immer wieder sind Teile der Strecke betoniert, richtig schön, mit Muster. Aber immer nur ein paar Meter. Ich werde wohl nie erfahren, warum die Kolumbianer so sinnbefreit betoniert haben.

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Tag 15: Schlammpackung, die Zweite!

Die letzten drei Fahrtage liegen vor uns. Unglaublich, wie schnell die Zeit verfliegt, wenn jeden Tag Action und Abenteuer geboten sind. Unser Ziel heute ist der 5.321 Meter hohe Nevado del Ruiz, der zweithöchste aktive Vulkan auf der nördlichen Erdhalbkugel. Der letzte große Ausbruch, bei dem über 20.000 Menschen unter einer Schlammlawine begruben wurden und starben, war im Jahr 1985. Seit April 2012 ist der der Nevado del Ruiz wieder aktiv, aber mehr als ausgestoßene Asche bringt er zum Glück bisher nicht hervor.

Sergio möchte heute eine Offroad-Route nehmen, die er selber noch nicht gefahren ist. Weil die nur passierbar ist, wenn es mehrere Tage nicht geregnet hat, da die Fahrbahn ansonsten eine einzige schlammige Rutschbahn ist.

Ibagué liegt auf 1.290 Meter und zuerst fahren wir auf der Hauptstraße 43 bis Venadillo bevor wir in Richtung Westen in die Berge abbiegen. Wir gewinnen schnell an Höhe und die Landschaft wird wieder wunderbar tropisch. Ab 3.000 Höhenmetern ziehen dichte Wolken durch die Berge und über die Straße. Die Stimmung ist mystisch.

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Tag 11: Trampolin de la muerte

Ich wache auf, drehe mich im Bett um und sehe aus dem Fenster. 2 m von meiner Cabana entfernt steht eine Kuh und grast, eine weitere liegt hinter ihr. Die Cabanas sind voll verglast und man hat einen wunderbaren Rundum-Blick in die Natur. Es ist sicher ein herrlicher Ort zum Entspannen. Aber nicht für uns, heute steht eine ganz besondere Offroad Strecke auf dem Programm, auf die ich mich schon seit Tagen freue. Die Trampolin de la muerte, eine der gefährlichsten Straßen in Kolumbien, die uns bis zum Amazonas bringen wird. Das Frühstück fällt extrem spartanisch aus. 2 Spiegeleier und schwarzer Kaffee. Als wir nach Brot fragen, bekommen wir staubtrockene kleine Semmeln. Anita meint, dass wir nochmal anhalten, bevor wir die Trampolin de la muerte fahren.

Bereits 10 km nach Abfahrt halten wir an einem Parkplatz. Die karge Landschaft ist geprägt von einer ganz besonderen Pflanze, die nur über 3.000 m wächst: Sie heißt Frailejones und sieht ein bisschen aus wie ein kleine Palme mit Sturmfrisur. Frailejones speichern Wasser und geben es in der Trockenzeit in den Boden ab, damit andere Pflanzen mehr Wasser abbekommen. Deswegen findet man sie meisten in der Nähe eines kleinen Baches. Wir gehen in das Feld und der Boden ist tatsächlich wasserdurchtränkt und wenn man den Stamm der Pflanze drückt, gibt sie Wasser ab. Sehr soziale Pflanzen.

Wir queren von West nach Ost zuerst auf Asphalt bis wir nach dem Ort San Francisco zum Lunch halten. Kurz darauf beginnt die 60 km lange Trampolin de la muerte. Es ist genau die Art Offroad-Track, die ich so sehr liebe. Fester, steiniger Boden, viele Kurven und eine atemberaubende Landschaft. Kathl und ich fliegen über die Straße, so schnell wie heute war ich noch nie unterwegs. Für eine gute Stunde sind wir im Flow, ich bin überglücklich, voller Elan und auch Erhan sagt bei einem kurzen Stopp, dass er nicht mit so einer Geschwindigkeit gerechnet hätte.

Ich fahre in dem Tempo weiter, es wird anstrengender, meine Kräfte lassen nach, aber ich will nicht aufhören. Ich merke nicht, oder ich will es nicht wahrhaben, dass ich am Limit fahre. Dann – vor einer Linkskurve passiert es. Ich bin viel zu schnell unterwegs, überbremse in Schräglage und stürze. Ich schlage mit meinen Knien hart auf dem Boden auf, der Schlag auf dem linken Knie löst einen furchtbaren Schmerz aus. Erhan, der hinter mir fährt, hält an, hilft mir auf und bringt mich an den Fahrbahnrand. Alleine schaffe ich es nicht. Er stellt mein Motorrad auf und fährt es zur Seite. Jetzt erst bemerke ich, dass in der Kurve ein Lkw steht. Das hätte auch schlimmer ausgehen können. Ich habe meine Jacke ausgezogen, sitze auf dem Boden und versuche, meine Knie zu bewegen. Die Schmerzen im linken Knie sind heftig. Aber ich kann das Bein strecken und wieder beugen. Ich bitte Erhan, mir die Arnica Kügelchen aus meinem Tankrucksack zu bringen, die mir meine liebe Mama für solche Fälle mitgegeben hat. Aber kurz darauf brauche ich dann noch die Ibuprofen. Es tut einfach höllisch weh. Erhan fragt, ob ich mir das Knie ansehen will. Lieber nicht, antworte ich. Sonst tut es noch mehr weh. Anita und Sergio biegen um die Ecke und halten an. Ich beiße die Zähne zusammen, möchte mir auf keinen Fall etwas anmerken lassen. Ob es mir gut geht, will Anita wissen. Sie haben gesehen, dass ich auf dem Boden lag. Ich nicke und will zum Motorrad laufen, aber kann kaum auftreten. Ich beiße die Zähne noch mehr zusammen und setze langsam einen Fuß vor den anderen. Am Motorrad angekommen, ziehe ich mir meine Klamotten wieder an und versuche aufzusteigen. Unmöglich. Ich kann das Knie doch nicht mehr abknicken. Erhan hilft mir hoch und unter starken Schmerzen fahre ich eine halbe Stunde weiter bis zum Gipfel. Bei jeder Erschütterung schießt der Schmerz in mein Knie. Oben angekommen, schaffe ich es nicht abzusteigen. Anita schimpft mich, ich soll nicht die Harte spielen. Wir müssen noch 1,5 Stunden weiter fahren bis zu unserer Unterkunft in Mocoa und sie möchte mir daher ein stärkeres Schmerzmittel geben. Morphium frage ich? So etwas Ähnliches ja, meint sie. Es ist Tramadol, ein Opiat. Ich nehme 10 Tropfen und wir fahren weiter. Es dauert keine 10 Minuten, dann wird warm, mein Körper entspannt total und zuerst kitzelt es in beiden Knien, dann ist der Schmerz weg. Unfassbar. Ich fühl mich wie beflügelt, kein Witz. Erhan und ich sind über Intercom verbunden und ich fange an, wie ein Wasserfall mit ihm zu reden. Ununterbrochen. Bis wir in Mocoa im Hostal POSADA DANTAYACO ankommen. Ihm müssen die Ohren bluten. In meinem Zimmer ziehe ich Stiefel und Hose aus. Die Leggings unter meinem linken Knie-Protektor ist handtellergross aufgerissen. Am Knie selbst ist nur eine kleine Schürfwunde, aber es ist angeschwollen und rot-blau. Das rechte Knie ist ebenfalls an der Außenseite rot und dick. Ich humple in die Dusche und lege mich danach sofort ins Bett. Anita und Sergio kommen und Anita prüft meine Bänder. Scheint alles heil zu sein, zum Glück. Zum Schlafen soll ich nochmal 4 Tropfen Tramadol nehmen. Die Nacht ist trotzdem oder gerade deswegen furchtbar. Ich schlafe kaum, schwitze und habe Schmerzen, sobald ich mich nur ein bisschen bewege. Für morgen ist eine Amazonaswanderung zu einem 80 m hohen Wasserfall geplant, hoffentlich kann ich mitgehen.