Die Kathl ist da!

Es gibt Nachwuchs in der Pamikaze Garage am Gärtnerplatz: seit heute bin ich glückliche Besitzerin einer nigelnagelneuen KTM 790 Adventure (ohne R). Und das kam so:

Vor ein paar Wochen habe ich bei einem Gewinnspiel von KTM mitgemacht und ich wurde doch tatsächlich als eine von zwei Gewinnern gezogen! Anfang April erhielt ich den Anruf. Ich konnte es zuerst gar nicht glauben, fragte Kathi, die Mitarbeiterin von KTM, ob das ein verspäteter Aprilscherz sei. Nein, es ist wahr – ich bekomme für diese Saison die 790 Adventure und darf alles mit ihr anstellen, sie auf Herz und Nieren prüfen. Onroad wie offroad.

Heute – drei Wochen später – ist also der Tag der Übergabe. Zusammen mit meiner Mama, die mindestens genauso aufgeregt ist wie ich, fahre ich nach Amberg bei Nürnberg, um das Baby abzuholen. Dort treffe ich auch auf Philipp, den 2. Gewinner. Philipp und ich haben witzigerweise einen gemeinsamen Bekannten: Robert Loschütz vom Enduro Action Team. Was für ein Zufall und wir beschließen, dass wir natürlich sehr bald mit unseren beiden KTMs zu Robert in den Enduropark fahren werden. Aber zuerst müssen wir sie haben, unsere Bikes.

Kathi und Felix vom KTM Marketing machen es spannend. Wir müssen natürlich zuerst die Formalitäten erledigen und bekommen danach eine Führung durch die hauseigene Werkstatt und den beeindruckenden Fuhrpark. So viele KTM und Husqvarna auf einem Fleck. Unglaublich! Dann endlich stehen Philipp und ich vor unseren Bikes. Wahnsinn – ich habe noch nie ein neues Motorrad besessen. Die KTMs stehen blitzblank da. Die erste Sitzprobe zeigt deutlich wie vernünftig es war, dass ich beim Gewinnspiel nicht die „R-Variante“ angekreuzt habe. Ich komme bei meiner „normalen“ Adventure gerade so mit den Zehenspitzen auf den Boden.

Felix gibt uns eine kurze Einführung in die 790 Adventure. Er erklärt uns die Fahrmodi für onroad und offroad inkl. offroad ABS. Die Traktionskontrolle ist abschaltbar, es gibt einen Quickshifter, ein TFT Display und die Möglichkeit, mittels Bluetooth und der KTM App eine Navigationsfunktion zu nutzen. Sehr praktisch. Er erklärt noch, wie wir die Koffer an- und abmontieren, das Windschild verstellen und dann dürfen wir auch gleich los zur ersten Testfahrt.

Eine gute halbe Stunde fahren wir mit Felix durchs Oberpfälzer Hinterland und sofort spüre ich einen wesentlichen Unterschied zu meiner F 650 GS: Die KTM hat deutlich mehr Power. Der Zweizylinder der Adventure leistet ganze 95 PS – das sind 14 PS mehr als bei meiner Zicki. Ich jage die Gänge durch und zack – der Tacho zeigt 130 km/h. Upsi, die geht ja wie die Hölle!

Zurück bei KTM. Philipp und ich setzen unsere Helme ab. Und wir grinsen von einem Ohr zum anderen. Die Saison wird der Hammer!

Es wird langsam Zeit für mich, zurück nach München zu fahren. Der Wetterbericht hat für den Nachmittag Regen gemeldet. Ich hab ja nichts dagegen, im Regen zu fahren, außer es lässt sich vermeiden. Und das möchte ich heute gern. Ich verabschiede mich von Kathi, Felix und Philipp und fahre los – meiner Mama hinterher. Ich sehe, dass sie immer wieder über den Rückspiegel nach hinten schaut. Auf halber Strecke fährt sie auf einen Parkplatz und fragt mich, ob ich mit der Maschine zurecht komme und mich sicher fühle. Meine liebe Mama bewundert mich sehr, dass ich Motorrad fahre, aber wie jede Mama macht sie sich auch immer ein bisschen Gedanken, wenn ich auf einem Motorrad sitze. Ich versichere ihr, dass ich super gut mit der KTM klar komme und wir fahren weiter.

Leider schaffe ich es nicht ganz trocken nach Hause. 70 km vor München erwischt mich der Regen. Aber irgendwie ist mir das dann doch egal. Nichts und niemand kann mir heute meine gute Laune verderben. Schließlich parke ich gerade eine neue KTM 790 Adventure in meiner Garage.

2 Tage Endurotraining mit der neuen R 1250 GS HP

Aus zwei Gründen bin ich bisher nie die R 1200 GS gefahren – und ich hätte schon einige Male Gelegenheit dazu gehabt.

  1. Ich hatte Angst vor der komplexen Technik. Dass ich aus Versehen irgendeinen Knopf drücke, eine Einstellung verändere und das Ding mit mir durchgeht.
  2. Ich hielt mich mit meinen 1,65m für zu klein für die große GS.

Beides Blödsinn, wie sich letztes Wochenende herausgestellt hat. Es gibt für alles eine Lösung. Und in meinem Fall war die Lösung ein Endurotraining beim Enduro Action Team in der Nähe von Leipzig. Zusammen mit Barbara, Amelie, Liane und Sandra hatte ich ein 2-Tages-Individualtraining gebucht. Mit der neuen R 1250 GS!

Ich habe den Gründer des „Enduro Action Teams“ Robert Loschütz vor ein paar Jahren beim BMW Motorrad Testcamp in Almeria kennen gelernt – damals hat Rob noch im Verkauf in der BMW Motorrad Niederlassung in Leipzig gearbeitet. Letztes Jahr hat er den Job aufgegeben, um sich ausschließlich seiner Leidenschaft, dem Endurofahren, zu widmen. Was für eine großartige Entscheidung und Glück für uns, die wir die nächsten zwei Tage bei und mit ihm trainieren dürfen.

Freitag nach der Arbeit hetze ich also heim, packe in Windeseile meine Moped-Sachen und lade alles zu Barbara ins Auto. Danach holen wir Sandra ab, die bereits am Straßenrand auf uns wartet – vor ihr eine vollgestopfte blaue Ikea Tüte – und los geht’s Richtung Leipzig! Es ist eine lustige Fahrt, wir freuen uns alle auf das Training, das für uns auch quasi der Saisonstart ist. Das letzte Mal saß ich im Oktober auf einem Moped, einer Indian und bin den PCH1 rauf und runter gedüst. Nach gut vier Stunden Fahrt erreichen wir unser Hotel in Schmannewitz. Die Vorfreude auf das Training verschwindet schlagartig, als ich beim Ausladen des Autos merke, dass ich meine Motorradjacke und –hose vergessen habe. Wie kann man eigentlich so doof sein! Ich hab Helm, Stiefel, Handschuhe und alle Protektoren dabei, aber Hose und Jacke liegen noch daheim auf dem Bett. Ich muss dazu sagen, dass die Nacht von Donnerstag auf Freitag recht kurz war, weil ich noch auf ein paar Drinks in der Dive Bar war. Das erklärt zwar meine Zerstreutheit, aber saublöd ist es trotzdem. Ich beichte Rob das Malheur per WhatsApp. Sein Anruf erfolgt umgehend. Er hat zwei Hosen daheim, Größe S und M, die er morgen seinem Mitarbeiter Volker mitgeben wird, der uns vom Hotel abholt und zu den Bikes bringen wird. Glücklicherweise hat Barbara eine zweite Jacke dabei, die mir passt. Halbwegs beruhigt gehe ich ins Bett.

Pünktlich am nächsten Tag um 8:30 Uhr fährt Volker in seinem roten VW Bus vor. Die Hosen für mich hat er dabei und siehe da, Größe S passt, wenn ich den Gürtel ganz eng schnalle. Glück gehabt! Volker bringt uns vier – mittlerweile haben wir auch Amelie und ihren Freund Chris getroffen – zum Treffpunkt ins „Gasthaus zu den Schildbürgern“ für das Briefing. Und da stehen sie: 25 nagelneue R 1250 GS HP. Was für ein Anblick! Die Sonne scheint, mein Herz hüpft. Ich mache die erste Sitzprobe auf meiner tiefergelegten Version. Hui, denke ich mir, sie ist immer noch ziemlich hoch im Vergleich zu meiner F 650 GS. Da musst du jetzt durch, sage ich zu mir. Das klappt schon, Rob hat es dir versprochen. Beim Briefing treffen wir die restlichen Teilnehmer. Bis auf Liane, die fünfte in unserer Truppe, sind es nur Männer. Rob erklärt uns zuerst einige grundsätzliche Verhaltensregeln, stellt die anderen Instruktoren vor und verteilt im Anschluss die Schlüssel für die GS. Liane, Amelie, Sandra und ich sind zusammen in einer Gruppe, da wir alle ungefähr auf dem gleichen Level fahren. Barbara war noch nie Offroad unterwegs und wird daher auf eine G 310 GS und in eine Anfänger-Gruppe zu Bob gesteckt.

Wir fahren gruppenweise vom Gasthaus zum Offroad-Park. Ich sitze zum ersten Mal auf einer GS und bewege stolze 250 kg durch die Straßen von Meltewitz. Ich bin noch keine 500m gefahren, habe gerade mal in den 2. Gang geschaltet und muss schon grinsen. Das geht ja gut los. Der Boxermotor gefällt mir schon immer besser als der Paralleltwin – optisch und vom Sound her sowieso, aber das Fahrgefühl ist auch ein ganz anderes. Während ich auf meiner kleinen Zicki den Motor kaum wahrnehme, spüre ich die volle Kraft des 136 PS starken Boxermotors deutlich. Mühelos bewege ich die GS um die Kurven und stelle dabei fest, wie leicht sie sich handeln lässt und wie bequem ich auf ihr sitze. Dass die Ergonomie auch für meine Größe so gut geeignet ist, hatte ich ehrlich gesagt nicht erwartet. Vom Eingangstor bis zur „Basis“ im Park nehmen wir die ersten Meter auf losem Untergrund. Ich schalte in den Enduro Pro Modus und gebe leicht Gas. Hinter mir staubt es.

An der Basis angekommen die erste Schrecksekunde, als ich beim Parken nicht wie erwartet mit dem Fuß auf den Boden komme. Die GS kippt so weit nach links, dass ich sie nur Kraft meiner Gedanken (kein Witz!) und mit viel Glück gerade noch halten und wieder aufrichten kann. Wie peinlich wäre das denn gewesen, wenn sie mir hier vor allen anderen Teilnehmern umfällt. Rob erkennt mein Problem sofort und tauscht den Seriensitz gegen einen niedrigen. Jetzt haben wir das volle Potenzial ausgeschöpft: Tieferlegung, niedriger Sitz und entsprechende Fahrwerkseinstellung.

Nach einer kurzen Aufwärmrunde sind wir bereit fürs Training. Rob fährt mit uns, den 4 Mädels, zum Übungsplatz und wir starten mit den ersten Übungen: Rechts- und Linkskurven, am Lenkeranschlag wenden, Anfahren auf verschiedenen Untergründen, Kupplung schleifen lassen. Zur praktischen Anwendung drehen wir anschließend ein paar Runden durch den Park, bevor wir uns zum Mittagessen mit den anderen Gruppen im Gasthaus „Zu den Schildbürgern“ treffen. Wir sitzen draußen am See und genießen das gute Essen und herrliche Wetter und tauschen die ersten Erfahrungen mit der neuen GS aus. Auf dem Rückweg in den Park fahren wir eine gute Stunde kreuz und quer durch die wunderschöne sächsische Landschaft, auf schmalen Pfaden durch Wälder und brettern auf Schotterwegen an Feldern und Wiesen entlang.  Zurück im Park widmen wir uns wieder unserem Training, es folgen weitere Übungen, wie Brems- und Beschleunigungstechniken. Ich habe mittlerweilse ein super Gefühl für das Bike entwickelt und vertraue ihr total. Es ist unglaublich wie leicht sich die 250kg auf jedem Terrain bewegen lassen und es passiert doch tatsächlich, dass ich einen kleinen Mini-Powerdrift hinlege. Zumindest fühlt es sich so an, denn das Hinterrad dreht durch und ich meine, dass das Heck ein paar Zentimeter nach vorne gekommen ist. Der krönende Abschluss unseres ersten Trainingtages ist das Shooting mit Wheels and Vibes, das Barbara und ich im Februar auf der IMOT gewonnen hatten. Es ist bereits nach 18 Uhr, das Licht ist perfekt, die Landschaft um uns herum schimmert rot-gold. Die beiden Fotografen Marco und Andreas haben mehrere Locations ausgewählt, an denen sie uns und die Bikes in Szene setzen. Ich bin ziemlich fertig vom Training – was man mir auch ansieht. Ein großes Kompliment daher an die beiden Fotografen. Was sie gezaubert haben, ist wirklich großartig.

Tag 2 unseres Trainings beginnt wieder relativ zeitig. Rob holt uns nach dem Frühstück im Hotel ab und wir fahren gemeinsam in den Park, wärmen zuerst uns wieder auf und starten dann mit einer gemütlichen Fahrt durchs Gelände. Es ist wieder ein herrlicher Tag, die Sonne scheint und die große GS und ich harmonieren auch heute ganz wunderbar miteinander. Wir machen diverse Übungen, u.a. erklärt Rob, wie man richtig driftet. So richtig klappt es bei keiner von uns auf Anhieb, aber die Anfänge sind gemacht: Ich schaffe es, dass das Hinterrad relativ gleichmäßig im Wechsel blockiert und durchdreht. Und wieder bin ich hocherfreut, wie gut ich die dicke Lady beherrschen kann. Es folgen weitere Übungen und kurz bevor wir zum Mittagessen aufbrechen, zeigt uns Rob eine Stelle im Park, von wo aus man über den gesamten See im Steinbruch sehen kann. Die Szenerie ist unglaublich, der See unterhalb der steilen Felsen ist türkis bis tiefblau. Es fühlt sich eher nach Kanada als nach Sachsen an. Es ist der perfekte Ort für eine kurze Verschnaufpause.

Nachmittags drehen wir wieder eine große Runde außerhalb des Parks durch die sächsische Landschaft und erreichen eine alte Mühle auf einer Anhöhe. Hier wartet zur Überraschung Volkers Frau Bärbel mit selbstgebackenem Kuchen und Kaffee auf uns. Nachdem wir uns gestärkt haben, geht es weiter querfeldein bis wir in einen zweiten Steinbruch gelangen. Hier komme ich endlich zu meiner eigentlichen Lieblingsdisziplin beim Endurofahren: Wasserdurchfahrten. Ich liebe es, mit Vollgas durchs Gewässer zu heizen. Und die Pfütze vor mir ist nicht klein. Mein kleines Enduroherz schlägt schneller. Viermal darf ich mit der GS durchs Wasser pflügen, allerdings ermahnt mich Rob nach dem ersten Mal, nicht noch schneller zu werden, da mein Vorderrad bereits geschwommen ist. Hatte ich gar nicht gemerkt, ich hab mich total professionell darauf konzentriert, wie hoch das Wasser spritzt. Pitschnasse bin ich am Ende, was mich allerdings nicht daran hindert ein letztes Mal den Weg durchs Wasser zu nehmen, diesmal zusammen mit Sandra, Amelie und Liane. Das Foto, das hier entsteht, ist episch. 4 Mädels, 4 GS, 544 PS.

In den letzten Jahren habe ich einige Endurotrainings gemacht, alle waren prima und haben mir viel gebracht in Puncto Fahrtechnik. Aber in den zwei Tagen hier beim Enduro Action Team habe ich nicht nur gelernt, wie man eine R 1250 GS sicher durchs Gelände bewegt sondern dass es vor allem darauf ankommt, dem Motorrad zu vertrauen und an sich selbst und seine eigenen Fähigkeiten zu glauben. Denn erst dann fängt der Spaß so richtig an!

Weitere Infos zum Angebot vom Enduro Action Team findest du hier: https://www.enduroactionteam.com/

Danke an Marco und Andreas für die wunderschönen Erinnerungs-Fotos: https://wheels-and-vibes.com/

Hallo neues altes Leben.

Es gibt so viel Lesestoff über Weltreisen, aber niemand schreibt ein Buch darüber, wie es sich anfühlt, nach einer längeren Auszeit heimzukehren. Und dann daheim zu bleiben. Also dachte ich mir, ich führe diesen Blog weiter. Als Therapie für mich selbst. Und als Warnung für andere Reisende. Gleich vorweg: Ja, man fällt wirklich in ein Loch! Read more

Die Heimfahrt

Ich wache auf und blicke auf die grüne Plastikgitarre neben mir im Bett. Die hab ich wohl als Roland-Ersatz mit ins Bett genommen. Was für eine Party, was für eine Nacht. Ich versuche, mit einem großen Kaffee und deftigen Frühstück meinen kleinen Kater zu kurieren und komme langsam auf die Beine.

Nach Mittag ist es geschafft: Ich bin fit, die Taschen sind gepackt, ich schmiere noch die Kette wie ich es Roland versprochen habe und belade meine Zicki. Barbara und Jo sind bereits zur Veranstaltung gefahren. Die Sultans of Sprint haben ihr Zelt auf dem Dandy Riders Festival aufgebaut. Voll beladen und abreisebereit schaue ich dort kurz vorbei, verabschiede mich von allen und starte gegen 14 Uhr los.

Mein Navi hat mir die Route über Mailand und die Schweiz als kürzeste Strecke angegeben. Ich überlege kurz, ob ich nicht doch über den Gardasee fahre. Notfalls könnte ich dort bei meiner Schwester und ihrer Familie übernachten. Aber ich möchte heute Abend gern in München sein und Roland sehen. Daraus wird aber nichts, denn als ich bei Mailand auf mein Handy sehe, während ich in der Schlange vor der Mautstation anstehe, lese ich eine Nachricht von Roland, dass er in Passau bleibt und erst Montagfrüh nach München kommt. Blöd, denn er hat den Wohnungsschlüssel. Also schreibe ich meinen Eltern, dass ich heute bei ihnen schlafe – allerdings erst sehr spät ankomme.

Die Schlange ist lang, ich warte bestimmt 20 Minuten. Dann fällt es mir ein: Ich hab ja nur noch 50€ in bar dabei und auch keine Kreditkarte. So ein Mist. Mit EC kann man an den Mautstationen nicht zahlen. Wie kann man bitte so planlos sein. Die 30.000 km durch Zentralasien verliefen absolut reibungslos und kaum fahre ich quasi meine Hausstrecke setzt das Gehirn aus. Ich habe Glück, knapp 40€ kostet die Maut. Ich fahre die erste Ausfahrt raus und versuche in einer Shoppingmall Geld abzuheben. Beide Automaten sind außer Betrieb. 5 km weiter habe ich dann endlich Erfolg und wieder ausreichend Bargeld in der Tasche.

Mittlerweile ist es nach 19 Uhr und es wird dunkel. Ich fahre zurück auf die Autobahn und stehe wieder im Stau. Diesmal ist es ein Unfall. Es ist eine zähe Heimfahrt zumal mir Roland fehlt, mit dem ich mich unterhalten kann. Wir haben viel über unsere Kommunikationsgeräte gesprochen, da vergeht die Zeit natürlich viel schneller. Alleine fahren ist anders. Besonders wenn man eine so lange Strecke zurücklegen muss.

An der Schweizer Grenze kaufe ich die Vignette und als ich kurz danach tanke, beginnt es auch noch zu regnen. Nein, es schüttet aus Eimern. Und schlagartig fallen die Temperaturen. Ich habe mein komplettes Zwiebeloutfit an – Merinoshirts, Daunenjacke, Kamelnierengurt, Windbreaker, Motorradjacke, Regenjacke – kalt ist es trotzdem. Auf dem San Bernardino hat es dichten Nebel, ich schaue lieber nicht auf die Temperaturanzeige, da ich sonst vermutlich noch mehr friere. Der 6 km lange Tunnel ist für kurze Zeit der schönste Ort der Welt.

Die halbe Strecke ist geschafft, 450 km liegen noch vor mir. Ich bin zum Glück noch überhaupt nicht müde. Allerdings stresst es mich, dass ich sehr schlecht sehe. Bis auf das Stück um den wundervoll beleuchteten Lugano See ist es vollkommen dunkel auf der Strecke und es regnet immer noch sehr stark. Mein Visier ist von der Reise total verkratzt, die entgegenkommenden Fahrzeuge blenden stark und mein eigener Scheinwerfer leuchtet nicht mehr ordentlich. Eine fiese Kombination. So komme ich nur langsam voran, weil ich stellenweise auf 30 km/h runterbremsen muss. Ich steuer die Raststation Heidiland an, will mich kurz aufwärmen und einen Kaffee trinken. Das Restaurant hat schon geschlossen. Also fahre ich weiter und die nächsten Stunden stur auf der Autobahn vor mich hin, am Bodensee vorbei und schließlich auf die A96.

Ich bin zurück in Deutschland, jetzt ist es nicht mehr weit. An der Tankstelle bei Landsberg kaufe mir die erste Breze seit vier Monaten. Was für ein Genuss. Die letzten 60 km sind ein Klacks. Ich fahre in Laim von der A96 ab, biege in die Fürstenrieder Straße Richtung Süden. Es ist 2.10 Uhr, ich bin ganz alleine auf der Straße unterwegs. Noch 2x rechts und 2x links, dann bin ich daheim! Ich hab’s geschafft, ich hab’s geschafft, ich hab’s geschafft sage ich leise vor mich hin, als ich in die Straße abbiege, in der meine Eltern leben. Das Hoftor steht weit offen, ich parke mein Bike und bin noch nicht abgestiegen, da springt meine Mama in ihrem weißen Bademantel aus der Haustür. Sie ist tatsächlich wach geblieben, die Verrückte. Klatschnass wie ich bin und mit Helm auf dem Kopf liegen wir uns in den Armen. 12,5 Stunden war ich unterwegs, 865km bin ich gefahren. Meine Mama schimpft mich kurz, was es für ein Blödsinn das war, so lange so weit ganz alleine zu fahren. Ich ertrage es und sage nichts, ist ja schließlich ihr gutes Recht als Mama.

Ich trage nur das nötigste Gepäck rein und ziehe meine nassen Klamotten aus – also alles – und schlüpfe in ein langes, gestreiftes Baumwoll-Nachthemd meiner Mama. Ich sehe an mir herab, ein bisschen wunderlich ist es ja schon, mit fast 38 im Nachthemd der Mutter zu stecken. Aber in diesem Moment fühlt es sich genau richtig an. Ich bin nach 29.300 km wieder Zuhause angekommen. Bei meiner Familie.